Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
stimmte Ashan zu. »Wir müssen die Felder abernten. Sogar das Getreide, das noch nicht voll ausgereift ist.«
»Das ist eine Arbeit für die Frauen, khaffit und chin , die sich hinter Mauern verstecken, während Männer draußen der Nacht trotzen«, sagte Jayan.
»Das ist eine Arbeit für uns alle«, berichtigte Jardir. »Selbst wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind in Everams Füllhorn, angefangen vom stolzesten dama bis hin zum geringsten chin -Krüppel, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schuften, ernten wir höchstens …«
»Zweiundzwanzig Prozent«, half Abban aus.
»Zweiundzwanzig Prozent des Getreides, ehe es wieder Nacht wird und neue Brände entstehen«, fuhr Jardir fort. »Es ist wichtig, dass alle mithelfen, und dass diejenigen, von denen man glaubt, sie seien über diese Arbeit erhaben, zusammen mit den anderen auf den Feldern gesehen werden.«
Aleverak legte eine Hand auf Jayans Schulter. »Letzte Nacht hast du dich des weißen Turbans würdig erwiesen, Sohn des Ahmann. Gib dir einen Ruck. Hat nicht Kaji selbst sein Leben als einfacher Obstpflücker begonnen?«
Jayan blickte auf die Hand, und in seiner Aura schwelte Groll angesichts dieser herablassenden Geste. Aleverak hatte ihn jedoch schon früher gedemütigt, und er war klug genug, seinen Ärger herunterzuschlucken.
Das, mein Sohn, ist der Anfang der Weisheit, dachte Jardir.
»Gib Acht, Erlöser«, warnte Hasik, als sie sich einer Gruppe von chin -Bauern näherten. »Sie sind bewaffnet.«
Jardir betrachtete die großen Erntewerkzeuge, die die Männer in den Händen hielten, und konnte nicht abstreiten, dass sie bei der richtigen Handhabung wirkungsvolle Waffen wären, aber hier spürte er keine Gefahr. Die chin schienen sich schrecklich vor ihm zu fürchten.
»Du machst dir zu viele Sorgen, Hasik«, tadelte er. »Wenn ein chin mich mit einem bäuerlichen Gerät töten könnte, wie sollte ich mich dann gegen Alagai Ka wehren?«
Er ging zu den Männern, und wie erwartet fielen sie sofort auf die Knie und drückten umständlich ihre Gesichter in den Staub, eine unbeholfene Geste ihres Gehorsams.
»Erhebt euch, Brüder«, sagte Jardir, während er sich selbst verneigte. »Es gibt Arbeit, und für derlei Förmlichkeiten haben wir keine Zeit.« Er griff nach einem der Erntewerkzeuge. »Wie nennt man dieses Teil?«
»Ah, das ist eine Sense, Euer Gnaden«, sagte einer der Männer. Er stand nicht mehr in der Blüte seiner Jahre, wirkte aber kräftig.
Jardir nickte. Dieses Wort kannte er. »Zeigst du mir, wie man damit umgeht?«
»Willst du mähen?«, fragte der Mann entgeistert.
Der Bursche, der neben ihm stand, verpasste ihm einen Schlag auf den Rücken. »Mach, was er sagt, du Trottel!«, zischte er.
Der Bauer nickte, nahm die Sense und zeigte, wie man sie halten musste. Die muskulösen Arme blieben ausgestreckt, während er sich drehte und die Klinge dicht über den Boden führte, wobei er mit jeder Bewegung eine bestimmte Menge von Halmen abschnitt.
»Ein gutes Werkzeug, und du handhabst es mit viel Geschick«, lobte Jardir. »Aus dir wäre ein großer Krieger geworden, hättest du diesen Weg gewählt.«
Der Mann verbeugte sich. »Danke, Euer Gnaden.«
»Aber es geht zu langsam.« Jardir nahm ihm die Sense ab. »Und uns bleibt nicht viel Zeit. Tritt bitte zur Seite.« Er streifte sein Übergewand ab und stand mit nacktem Oberkörper da. Auf dem Kopf trug er die Krone des Kaji, der Speer war auf seinem Rücken festgeschnallt. Er hielt die Sense so, dass die Klinge nach hinten wies, bückte sich und sog die Magie der Krone und des Speers in sich ein, bis er so stark und schnell war wie hundert Männer.
Dann schnellte er vor, rannte über das Feld und mähte die Halme nieder. Seine Sandalen trommelten einen steten Rhythmus auf die weiche, bepflanzte Ala, im Nu hatte er den hinteren Rand des Ackers erreicht, machte kehrt und hetzte zurück. Hinter ihm waren die abgemähten Halme noch nicht zu Boden gesunken, da schnitt er schon die nächsten ab.
Die Sonne stand noch tief am Horizont, als Jardir innehielt und über das abgemähte Feld blickte. Inevera hatte im Basar eine Korbflechterin gefunden und sie beauftragt, eine Karrenladung Körbe zu liefern. Sie selbst führte die Erntearbeit an und schleppte volle Körbe, während sie Frauen und Kinder anleitete, als hätte sie ihr Leben lang auf dem Feld gearbeitet.
Sie sah wunderschön aus im Morgenlicht, beinahe sittsam in Hosen aus festem Leinen und einer engen, kastanienbraunen
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