Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
Kette gefesselt. Ein Zaum hielt seinen Mund offen, die Zunge war nach hinten geschoben und mit einem straffen Lederriemen befestigt worden. Er war immer noch nicht nüchtern, und seine Aura glühte vor Schmerzen und ohnmächtiger Wut. Darunter lagen Scham und Furcht. Ihm war bewusst, was er getan hatte und was das bedeutete. Jardir musste sich beherrschen, um ihn nicht auf der Stelle zu töten.
»Schwester«, sagte er. »Berichte mir alles, was vorgefallen ist.«
Hanya schluchzte immer noch, aber nachdem Kajivah ihr gut zugeredet hatte, riss sie sich so weit zusammen, dass sie den Kopf heben und ihrem Bruder in die Augen sehen konnte. »Ich verstehe es selbst nicht, Bruder. Hasik hat schon früher mit mir geschimpft, aber er hat niemals Couzi getrunken oder mich geschlagen. Doch in den letzten paar Tagen hat er sich verändert. Er fing an, Flaschen mit Couzi in unsere Gemächer zu schmuggeln, hat viel zu viel getrunken und vor sich hin geweint, wenn er glaubte, er sei allein. Ich bot ihm meinen Trost an, wie es die Pflicht einer Gemahlin ist, aber er wies alle meine Bemühungen ab. Und letzte Nacht, als er schlief, beschloss ich … ihn zu überraschen.« Ihre Aura brannte vor Scham.
Jardir bereute schon, sie gezwungen zu haben, ihre Geschichte öffentlich am Hof vorzutragen, aber daran ließ sich nichts mehr ändern. »Und was passierte dann?«
In Hanyas Aura flackerten nun auch noch Kummer und Verwirrung. »Seine Männlichkeit … war weg.«
»Weg?«, fragte Jardir verdutzt.
»Abgeschnitten«, erklärte Hanya. »An der Stelle befand sich nur eine Narbe und ein kleines Metallröhrchen.« Ashans und Shanjats Auren verrieten ihm, dass sie diese Neuigkeit bereits kannten, aber er merkte ihnen auch ihre Betroffenheit an. Jeder hier war bestürzt, einschließlich Jardir. Nur Inevera und die Damaji’ting , die an Eunuchendiener gewöhnt waren, blieben gelassen.
Hanyas Aura erzählte ihm den Rest der Geschichte, obwohl er sich hätte denken können, wie sie endete. »Hasik wurde wach, merkte, dass du seine Schande gesehen hattest, und schlug dich.«
Hanya nickte, und Jardir wandte sich an Hasik. »Zeigt es mir.«
Die Demütigung in Hasiks Aura glich einem gequälten Aufschrei, aber er stand zusammengesunken da und wehrte sich nicht, als einer der Wachen seine Hosen herunterzog und jeder sehen konnte, dass er tatsächlich entmannt worden war. Jardir nickte dem Wächter zu, der löste den Lederriemen um Hasiks Zunge und nahm ihm den Zaum aus dem Mund.
»Was ist mir dir passiert, Hasik?«, wollte Jardir wissen.
Hasik antwortete nicht sofort, und er hielt den Blick gesenkt. »Ich dachte, er könnte nachwachsen.«
»Was?«, fragte Jardir.
»Wenn ich ganz viele alagai töten würde«, sagte Hasik. »Ich dachte, wenn ich nur genug von ihrer Magie in mich aufnähme, könnte er vielleicht nachwachsen.«
Inevera mischte sich ein. »So etwas gibt es nicht, Sharum . Was einmal abgeschnitten ist, wächst nicht mehr nach. Die Wunde hat sich nur geschlossen.« Wieder sackte Hasik in sich zusammen.
»Wer hat dir das angetan?«, fragte Jardir. »Du wirst dich auf jeden Fall dafür verantworten müssen, dass du meine Schwester geschlagen hast, aber du bist mein Schwager und ein Speer des Erlösers. Wer dich angreift, der greift auch mich an.«
Hasik sah ihn an, aber sein Schamgefühl und seine Angst überwältigten ihn derart, dass er nicht sprechen konnte.
»Der Erlöser hat dich etwas gefragt, du Hund!«, schnauzte Ashan. Shanjat schlug Hasik fest ins Gesicht und schleuderte ihn zu Boden. Aber der hünenhafte Sharum schwieg immer noch.
Er würde eher sterben, als es mir zu verraten, erkannte Jardir. Zum Glück gab es für einen Sharum ein Schicksal, das schlimmer war als der Tod.
»Reißt ihm die schwarze Tracht vom Leib und verbrennt die Sachen«, befahl er. »Hackt ihm die Hand ab, mit der er meine Schwester geschlagen hat, und werft ihn in gelbbraunen Fetzen auf die Straße. Ich werde seine Ehe auflösen, und er kann als verkrüppelter khaffit weiterleben, dem der Himmel für alle Ewigkeit verwehrt bleibt.«
»Nein, bitte!«, brüllte Hasik entsetzt. »Ich habe dir treu gedient! Es war Abban! Abban, der verfluchte khaffit !« Seine Aura verriet, dass er die Wahrheit sagte, und als Jardir dies hörte, wunderte er sich nicht, dass Hasik sich geschämt hatte, es zuzugeben.
Trotzdem stellte es ihn vor ein schwieriges Problem. Er blickte Shanjat an. »Nimm ein Dutzend Männer und suche den khaffit . Bring ihn
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