Die Flammen der Dunkelheit
Anhängern entgegenschlug.
»Heimtücke hält sich selber gefangen …« Von wessen Heimtücke spricht sie in diesem Satz? Ahnt sie, wie viel Misstrauen dieser eine Satz gesät hat? Es kommt nicht von ungefähr, dass Aithreo glaubt, jeden überwachen zu müssen und keinem vertrauen zu können. Jeder Fehler – und sie lassen sich nun einmal auch bei größter Sorgfalt kaum vermeiden – wird schnell als Absicht angesehen und die Beweggründe des Verursachers werden hinterfragt.
Aber hier sitze ich und zerbreche mir den Kopf über das Warum und Wieso der Vergangenheit, statt an das zu denken, was mich viel mehr beschäftigen sollte: der Tod meines Sohnes. Es gab nicht nur einen Traum, sondern mehrere, und in einem davon sah ich mit aller Deutlichkeit, wie er an einem Pfeil, der seinen Hals durchbohrte, starb. Es ist also gewiss, und auch wenn ich versuchen werde, es zu verhindern, so weiß ich trotzdem, es ist vergebens.
Mein Kind, für das ich so viel Schuld auf mich geladen habe, um es zu schützen, ich werde es doch noch verlieren. Und durch die Hilfe für mein Volk habe ich eigenhändig dazu beigetragen. Die Trauer schnürt mir die Luft ab und ich merke, wie mir immer mehr die Worte fehlen …
Nie habe ich es gewagt, die Eintragungen mit meinem Namen zu unterzeichnen. Aber nun, da ich weiß, dass es für meine Linie keine Zukunft mehr gibt, wird dieses Tagebuch vielleicht das Einzige sein, das von mir übrig bleibt.
Die Sonne wird die Nacht verschlingen, ihr Volk wird erwachen, doch mein Schlaf wird ewig sein.
Ardal, Cathair-lonrach,
die 116444. Nacht seit dem Untergang der Sonne
Ohne sich zu rühren, lag Aurnia auf dem Bett, presste die Hände auf den Bauch und starrte an die Decke. Die Hebamme hatte ihr erzählt, es wäre ein Sohn geworden, hätte sie ihn lange genug in ihrem Leib halten können. Sie spürte eine seltsame Leere. In den letzten Tagen hatte sie sich immer wieder bei der Frage ertappt, wie es wohl wäre, tot zu sein. Sie fühlte sich so unendlich müde.
Mórtas hatte nicht einmal nach ihr gesehen, seit sie – nun schon zum dritten Mal in Folge – das Kind vorzeitig verloren hatte. Vermutlich vergnügte er sich mit einer ihrer Bediensteten. Aurnia wusste sehr wohl, dass er ihr untreu war. Es störte sie nicht, schließlich empfand sie nur Verachtung für ihn, allerdings hätte sie gerne herausgefunden, welches von den Mädchen sie hinterging. Auch Dervla hatte bislang nichts in Erfahrung bringen können. An dem verkniffenen Zug um ihren Mund und dem ablehnenden Ausdruck ihrer Augen war deutlich zu erkennen, dass sie das Verhalten der Unbekannten missbilligte. Sie würde also alles daran setzen, ihrer Herrin zu helfen. Doch die unbekannte Dirne schien äußerst schlau zu sein.
Manchmal fragte Aurnia sich, was geschehen würde, sollte die Geliebte des Königs ein Kind erwarten. Würde man einen Weg finden, den Bastard zum legitimen Thronerben zu erklären und sie selbst verstoßen? Nun, vermutlich würde der Erwählte keine Skrupel an den Tag legen, er hatte oft genug bewiesen, dass es ihm nur um den Erhalt seiner Macht ging und dass er dafür vor nichts zurückschreckte. Menschlichkeit oder gar Gnade hatte sie von ihm nicht zu erwarten und auch Brones Zukunft hing von ihr ab. Nur als Königin und Mórtas’ Gemahlin hatte sie die Macht, ihn am Leben zu erhalten. Ganz gleich, wie viel Abscheu sie für den verschlagenen Flammenkrieger empfand, ihr blieb einzig die Möglichkeit, so schnell wie möglich ein weiteres Mal schwanger zu werden und zu hoffen, dass sie dieses Kind austragen konnte. Aber die Hoffnung war sehr schwach. Tief im Innersten war sie davon überzeugt, ihre Unfähigkeit, einen neuen Erben zur Welt zu bringen, war die Strafe dafür, dass sie ihren ersten Sohn ins Unglück gestoßen hatte. So viele Jahre seitdem auch vergangen waren, Aurnia dachte immer wieder über Dallachars Schicksal nach. Sie hatte nie mütterliche Gefühle für ihn gehegt und er trug Dämonenblut in sich, doch er war noch ein Kind, als er in die Hände des Erwählten fiel. Was hatten sie ihm in den Kerkern angetan, bevor sie ihn umbrachten? Nie hatte sie es gewagt, den Erwählten nach ihrem Sohn zu fragen, und auch sonst hatte kein Mensch in ihrer Gegenwart jemals wieder ein Wort über ihn verloren. Es war, als hätte er nie existiert. Sie sah sein schmales Gesicht vor sich und das zerstörte von Brone legte sich darüber. Tränen liefen über ihre Wangen, und einen Augenblick lang war sie unsicher, um
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