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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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wie sich in ihren Blick erst Verwunderung und dann Misstrauen schlich, weil Benen viel früher als andere seines Alters zu krabbeln und dann zu laufen begann. Dem Kind konnte er noch nicht beibringen sich zu verstellen, dazu war es zu jung. Seine Frau konnte er aber auch nicht daran hindern, die ungewöhnliche Entwicklung ihres Sohnes zu beobachten. Ihm graute bei der Vorstellung, welche Schlüsse sie ziehen würde. Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, ihr Benen zu nehmen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte. Den Jungen weggeben und irgendwo verstecken kam nicht in Frage, da er niemandem trauen konnte. Er fand nur eine Möglichkeit, Mutter und Kind zu trennen: Sie des Ehebruchs zu bezichtigen und ein Lügengeflecht um sie zu weben, dem sie nicht entkommen konnte. Vielleicht wollte sie es auch gar nicht. Nie hatte sie ein Wort der Verteidigung von sich gegeben, war im Gegenteil vollkommen verstummt, als bliebe ihr die Ungeheuerlichkeit der Anschuldigung unbegreiflich. Ihr Vormund, der sie am liebsten tot gesehen hätte, jagte sie höchstpersönlich aus der Stadt. An jenem Tag, als Ardal ein letztes Mal in ihr kreideweißes Gesicht und die aufgerissenen Augen blickte, starb etwas in ihm. Nie wieder sah er sich als einen Mann, der Gerechtigkeit und Ehre in sich trug. Seinen Namen, der tatsächlich ›Ehre‹ bedeutete, empfand er als blanken Hohn. Wenn ihn die Schuld zu sehr niederdrückte, konnte er sich einzig damit trösten, dass er ein hilfloses Wesen beschützen musste. Und dieses Kind lebte klaglos wie ein Gefangener, dachte er jetzt. Nur selten spielte es mit anderen, das Risiko war zu groß, dass man seine Kräfte entdeckte. Die Nachbarn glaubten zum Glück, Benen sei zu krank, um das Haus zu verlassen. An manchen Tagen lud Ardal ihre Kinder zu sich ein, um sie im Lesen und Schreiben zu unterrichten. In Wahrheit wollte er seinem Sohn ein wenig Gesellschaft verschaffen, während er gleichzeitig ihr Miteinander überwachen konnte. Die Sorge, entdeckt zu werden, schien unbegründet, Benen spielte die Rolle des Gebrechlichen sehr gut. So habe ich mein eigen Fleisch und Blut zum Lügner erzogen, dachte er und verabscheute sich noch mehr. Auch belastete ihn Benens Traurigkeit, die er sehr genau spürte, obwohl der Junge tapfer versuchte, sie vor ihm zu verbergen. Ardal dachte wieder an diesen Glic, den er aufnehmen sollte. Es konnte sich nur um jemanden mit Dämonenblut handeln, vermutlich sogar … Hier brach Ardal seine Überlegungen erschrocken ab. Aber eines war jedenfalls sicher, wenn Benen einen Spielgefährten hätte, vor dem er sich nicht zu verstellen brauchte und der sich genauso würde verstecken müssen, dann wäre er nicht mehr allein. Nun, dann wären sie schon drei verdammte Seelen unter einem Dach!

    Das Feuer im Kamin wärmte nicht. Aber er war schon vor einer Unendlichkeit zu Eis geworden. In ihm brannte eine andere, eine kalte Flamme. Der Erwählte beobachtete das Auftreffen der Regentropfen in schmutzigen Pfützen und nickte zufrieden. Die Wolkendecke brach ebenso wenig auf wie seine Macht auseinander. Er musste nur darauf achten, dass nicht wieder Liebe alles vernichtete. Seine Mundwinkel kräuselten sich verächtlich. Dieses dumme Weib hatte nie verstanden, dass ihr Schicksal in seiner Hand lag. Sie war bloß der Abglanz einer Königin, darüber konnte auch das goldene Haar nicht hinwegtäuschen. Er würde Aurnia eine letzte Lektion erteilen. Seit etlichen Tagen hatte er sich gezwungen abzuwarten, um ihre vergebliche Hoffnung auszukosten, doch jetzt verhinderte die wachsende Ungeduld, dass er es noch länger hinauszögerte. Ungeduldig betätigte er den Klingelzug und verlangte nach den Flammenkriegern. Ohne jede Regung gab er ihnen den Auftrag. Eine Begründung lieferte er wie üblich nicht. Die Worte des Erwählten waren Gesetz, niemand zweifelte ihn an, dafür hatte er seit Langem gesorgt.
    Er hatte kein Gefühl dafür, wie viel Zeit vergangen war, als es an der Tür klopfte. Ein Flammenkrieger brachte die Nachricht, dass sie eine Frau aufgegriffen hätten, die das Haus des Malers beobachtet hatte. Sie behauptete, unter dem Schutz des Erwählten zu stehen. Dieser ließ sich keine Überraschung anmerken und befahl ihm die Gefangene zu bringen. Als Dervla in zerrissenen Kleidern und mit Blutergüssen an den Armen hereingeführt wurde, wunderte er sich kaum. Er hatte längst geahnt, warum sie den Verrat beging.
    »Ich wollte mich nur vergewissern, dass er nicht entkommt«, sagte sie,

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