Die Flammende
Schwert umgehen«, sagte Brocker grimmig.
»Ist er denn schwer verletzt?«
»Er wird es überleben, obwohl die Wundärzte sich zunächst Sorgen gemacht haben. Er hatte eine Stichverletzung am Bein an einer Stelle, die fürchterlich geblutet hat.« Brocker rollte seinen Stuhl an den Kamin und warf Roens Brief in die knisternden Flammen. »Mit dem Jungen wäre es beinahe zu Ende gewesen, Fire, und ich zweifle nicht daran, dass Cansrel es wieder versuchen wird.«
In jenem Sommer traf Cansrel an Nashs Hof ein Pfeil in den Rücken, aus dem Bogen eines Hauptmanns, der zu Brigans engsten Vertrauten gehörte. Zu Beginn ihres fünfzehnten Lebensjahres â genauer gesagt an ihrem vierzehnten Geburtstag â erhielt Fire aus Kingâs City die Nachricht, dass ihr Vater verletzt war und wahrscheinlich sterben würde. Sie schloss sich in ihrem Zimmer ein und schluchzte, ohne genau zu wissen, warum sie überhaupt weinte, aber unfähig aufzuhören. Sie drückte ihr Gesicht so fest in ein Kissen, dass niemand sie hören konnte.
Natürlich war Kingâs City bekannt für seine Heiler und seinen Fortschritt in Medizin und Chirurgie. Die Leute dort überlebten Wunden, an denen man anderswo starb. Insbesondere Leute mit der Fähigkeit, über die Aufmerksamkeit eines ganzen Krankenhauses zu gebieten.
Einige Wochen später erreichte Fire die Nachricht, dass Cansrel überleben würde. Sie rannte wieder in ihr Zimmer. Wie betäubt kletterte sie auf ihr Bett. Als die Betäubung nachlieÃ, stieg etwas Säuerliches in ihrem Magen auf und sie musste sich übergeben. In ihrem Auge platzte eine Ader und am Rand ihrer Pupille bildete sich ein Bluterguss.
Ihr Körper konnte manchmal ein mächtiges Kommunikationsorgan sein, wenn ihr Verstand versuchte, eine Wahrheit zu leugnen. Erschöpft und von Ãbelkeit geplagt, verstand Fire die Nachricht ihres Körpers: Es war Zeit, die Frage, wie weit ihre Macht über Cansrel reichen konnte, neu zu überdenken.
Aus den immer gleichen Träumen hochgeschreckt, stieà Fire mit dem Fuà ihre Laken weg. Sie bedeckte ihre Haare, fand ihre Stiefel und Waffen und schlich an Margo und Mila vorbei. DrauÃen schlief ein GroÃteil der Armee unter Zeltdächern, aber ihre Wache lag unter freiem Himmel, erneut um ihr Zelt herum aufgereiht. Unter dem weiten Himmel, wunderschön mit all den Sternen, spielten Musa und drei andere im Kerzenschein Karten wie in der vergangenen Nacht. Fire hielt sich an der Zeltöffnung fest, um das Schwindelgefühl zu bekämpfen, das sie überkam, als sie in den Himmel hinaufblickte.
»Lady Fire«, sagte Musa. »Was können wir für Sie tun?«
»Musa«, sagte Fire. »Ich fürchte, Sie haben das Pech, jemanden zu bewachen, der an Schlaflosigkeit leidet.«
Musa lachte. »Soll es heute Nacht wieder eine Klettertour sein, Lady?«
»Ja, ich bitte vielmals um Entschuldigung.«
»Wir freuen uns darüber, Lady.«
»Ich glaube, das sagen Sie nur, um mir meine Schuldgefühle zu nehmen.«
»Nein, im Ernst, Lady. Der Oberbefehlshaber wandert nachts auch umher und er akzeptiert keine Wache, obwohl der König es befohlen hat. Wenn wir mit Ihnen unterwegs sind, haben wir einen Vorwand, ein Auge auf ihn zu haben.«
»Verstehe«, sagte Fire, vielleicht ein wenig höhnisch. »Weniger Wachen heute«, fügte sie hinzu, aber Musa ignorierte es und weckte genauso viele wie in der vorherigen Nacht. Â
»So lauten die Anweisungen«, sagte Musa, als sich die Männer verschlafen aufsetzten und ihre Waffen umschnallten.
»Und warum sollten Sie den Anweisungen des Oberbefehlshabers Folge leisten, wenn der Oberbefehlshaber die Befehle des Königs nicht befolgt?«
Ihre Frage sorgte für mehr als ein Paar hochgezogener Augenbrauen. »Lady«, sagte Musa, »die Soldaten dieser Armee würden für den Oberbefehlshaber von einer Klippe springen, wenn er das verlangte.«
Fire wurde immer gereizter. »Wie alt sind Sie, Musa?«
»EinunddreiÃig.«
»Dann ist der Oberbefehlshaber verglichen mit Ihnen ja noch ein Junge.«
»Und Sie ein Kleinkind, Lady«, erwiderte Musa trocken und zauberte ein überraschtes Lächeln auf Fires Gesicht. »Wir sind so weit. Sie gehen voraus.«
Fire ging auf denselben Steinhaufen zu, auf den sie vorher geklettert war, weil es sie dem Himmel
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