Die Flirtfalle
auch. Das Leben als Single war wirklich besser als sein Ruf. Man ist frei zu tun und zu lassen, was man will. Keine nervenden Fragen a la „Was gibt es heute Abend schönes zum Essen?“, „Wollen wir nicht gemeinsam die Sportschau gucken?“ oder „Warst du beim Kinderarzt, um zu klären, was es mit dem Pickel auf Justins Nase auf sich hat?“
Ich schlüpfte in meinen Bademantel, holte die letzte Zeitung aus dem Altpapier-Stapel, warf mich aufs Sofa und legte die Beine hoch. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass gerade meine Lieblingsserie lief. Nach kurzem Zögern zeigte ich Charakterstärke und rührte die Fernbedienung nicht an. Dann kam mir in den Sinn, dass mir jetzt ein anständiges Getränk gut tun würde, zeigte aber wieder Charakter und begann nicht, nach der verflixten Weinflasche zu suchen, die mir Mutti neulich mitgebracht hatte und die spurlos verschwunden war. Die richtige Anzeige stand plötzlich direkt vor meinen Augen. Eine Verlagssekretärin als Teilzeitkraft wurde gesucht. Prima! Meine Ausbildung zur Verlagskauffrau war schon ein paar Jährchen her, dennoch hatte ich das Gefühl, dass diese Stelle wie geschaffen für mich war. Justin würde bald von morgens bis mittags im Kindergarten untergebracht sein, also könnte ich mich in der Zeit ruhig als Sekretärin betätigen. Diesen Job stellte ich mir viel attraktiver vor, als die Stelle als bibliothekarische Hilfskraft. Ich würde vor einem PC sitzen, Telefonate führen und irgendwelche Schreiben verfassen und das Wichtigste überhaupt: Ich wäre unter Leuten, mit denen ich nicht flüsternd kommunizieren müsste. Als bibliothekarische Hilfskraft dagegen würde ich nur dasitzen, aus lauter Langeweile in alten Büchern schmökern und hin und wieder einem Kunden zuflüstern, er hätte die Rückgabezeit um einen Tag überschritten und müsse nun zwei Euro Bußgeld zahlen. Bislang bekam ich auf meine Bewerbungen, die ich alle vorschriftsmäßig verfasst hatte, immer nur Absagen, also musste ich diesmal versuchen aufzufallen, um mich quasi von der breiten Masse abzuheben. Vielleicht sollte ich meine unkonventionelle Bewerbung total locker und witzig verfassen und den Eindruck erwecken, dass mir die Stelle eigentlich egal wäre. Eine Stunde später war es vollbracht. Meine Bewerbung war fertig. Sie las sich sehr flüssig und hörte sich an wie ein gelungenes Werk einer vielversprechenden angehenden Verlagssekretärin. Sollte ich doch nur ausgelacht und abgewiesen werden, so wäre das Endergebnis nicht anders, als bei einer Standardbewerbung mit Standardabsage. Was hatte ich also zu verlieren? Ich nahm ein neues Blatt und vermerkte mir schon mal die Aufgaben für die nächste Woche: 1. Die unkonv. Bewerb. am Comp. abtippen, ausdrucken und absch. Falls der Rechner nicht anspr., den Skodanachb. fr. ob ich kurz an seinen Comp. darf. (Da ich ohnehin mit einer Absage rechne, werde ich mir die Bewerbungsmappe und das Bewerbungsfoto schenken.) 2. Die Bewerb. als biblioth. H. fertigschreiben und absch. (Falls sie mich nehmen, dann mit dem ersten Gehalt einen Heimtrainer mit Magnetbremssystem kauf. und jed. Abend 1000 Kalor. verbr., um kein fettes Gesäß zu bekommen.) 3. Zur Bank gehen und fragen, ob sie mir den Dispokr. von 500 auf 1000 Euro erhöhen können (H. Priorität!). 4. Mutti anrufen und mich mit ihr versöhnen. 5. Lisa über Mark ausfragen. 6. Einen Lottoschein kaufen und den Jackpott knacken. 7. Strümpfe und Unterwäsche für J. kaufen. 8. Kai anrufen und fr. wo die Unterhaltsüberweisungen für Juli und August gebl. sind.
9 . Mich beim Baumarkt erkund. was zwei Rollen Raufaser-Tapeten, zwei Pack. spez. Kleister und ein Eimer Farbe kosten. Wenn günstig, dann kaufen und im Flur neue Tapeten kleben und überstr. 10. Zu ‚Birgits Boutiquestube’ gehen und so tun als würde ich das schicke schwarzweiße Sommerkl. im Schaufenster kaufen wollen, um es umständlich anzupr.
11 . Ab sof. eine strenge Diät auf Obst- und Gemüsebasis anfangen. Muttis Waage mit der Körperfett- Analyse ausl.
12 . Die 980 Kugelschr. aus dem Keller holen und sie für den Flohm. bereitlegen. (Wenn ich sie alle für zehn Cent pro St. verkaufe, dann hätte ich 98,00 Euro, die ich für das Kleid bei ‚Birgits Boutiquestube’ wieder ausgeb. könnte.)
Erledigt. Ich sah auf die Uhr - meine Serie war längst vorbei - und überlegte, ob ich nun den Freitagabend-Erotikthriller anmache, um gemütlich vor dem Fernseher einzuschlafen oder gleich ins Bett gehen sollte. Ich ging ins
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