Die Flirtfalle
vergessen und einen Neubeginn wagen. Ich wollte eine Blondine mit gezupften Augenbrauen sein.
Satte zwei Stunden hatte die Friseurin gebraucht, um meine Spaghettihaare in eine Löwenmähne im Stil der Achtziger umzuwandeln.
„Erschrecken Sie bitte nicht“, sagte sie, wahrscheinlich weil sie gemerkt hatte, dass ich die ganze Zeit meine Augen geschlossen hielt. „Ihre Haare haben die sogenannte ‚friseurgepflegte Unordnung’ und sind etwas gewöhnungsbedürftig.“
Ich sah in den Spiegel, ließ mir meine Empörung nicht anmerken und sagte, ich möchte nun meine Löwenmähne in blond haben. Die Friseurin guckte mich böse an und meinte, das wäre nun ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch bestellte sie mich für morgen vierzehn Uhr zwanzig.
Eine weitere Stunde saß ich im Schönheitssalon. Ich hatte mir unter anderem Lidschatten auflegen lassen. Die nette Kosmetikerin zog die Pastelltöne weit über die Augenlider hinaus, jedoch nicht ganz bis an die Augenbrauen heran. Ich bekam auch einen glänzenden Lippenstift aufgetragen. Zum Schluss verteilte sie eine schöne Rouge-Schicht auf meinem Gesicht. Fertig geschminkt und mit topgestylten Haaren zog ich durch die Hotelshops und tat so, als wäre ich eine verwöhnte Prinzessin, Tochter von Beruf, die sich neue Sachen besorgen wollte, um die Langeweile zu vertreiben. Ich kaufte mir zwei Paar Stöckelschuhe (das eine zog ich gleich an, da ich meine Schuhe bereits in den Altschuhbehälter rechts von der Kasse entsorgt hatte), drei Kleider, zwei Blusen, eine Hose, zwei Büstenhalter und ein Unterhemdchen ohne Träger. Eines der Kleider hatte den gleichen Schnitt und das gleiche schachbrettartige Muster wie das Schaufensterkleid in ‚Birgits Boutiquestube’. Trotzdem war es doppelt so teuer, was mich nicht davon abhielt, es zu erwerben. Ich ließ alle Rechnungen (insgesamt knapp 1300 Euro) auf mein Zimmer schreiben, da ich Viktor versprochen hatte, ihm diese Freude zu machen.
Gegen fünfzehn Uhr betrat ich fertig ausgetobt mein Hotelappartement, warf die Einkaufstüten in eine Ecke, fiel erschöpft ins Bett, schloss die Augen und genoss die himmlische Ruhe, die jede Zelle meines Körpers erfüllte. Justin, Mutti und Viktor sollten ruhig ihr aktives Entspannungsprogramm genießen. Mein passives Entspannungsprogramm gefiel mir tausend Mal besser.
Um achtzehn Uhr wachte ich auf. Satte drei Stunden passives Entspannungsprogramm lagen hinter mir. Von Mutti, Justin und Viktor gab es kein Lebenszeichen, weshalb die passive Entspannung in Langeweile umzuschlagen drohte.
Mark . Ich dachte wieder an ihn. Irgendwann merkte ich, dass ich mein Handy in der Hand hielt und Marks Telefonnummer wählte. Zum Glück schaffte ich es, rechtzeitig aufzulegen, bevor ich die letzte Zahl eintippen konnte. Aus lauter Langeweile schaltete ich den Fernseher ein. Ein Film lief. Ich hatte gerade die Liebesszene erwischt und versuchte verzweifelt die Schauspieler zu erkennen, doch man bekam ihre Köpfe nicht zu Gesicht.
Himmel! Die Liebesszene war erschreckend ausführlich dargestellt und wollte einfach kein Ende nehmen. Noch nie hatte ich einen derart unromantischen Liebesfilm gesehen. Ich packte die Fernbedienung und schaltete um. Ein anderer Liebesfilm lief, diesmal mit einem dunkelhäutigen, gesichtslosen Schauspieler in der männlichen Hauptrolle.
Das Telefon klingelte, ich fühlte mich ertappt und ließ vor Schreck die Fernbedienung fallen. Das konnte nur Mutti sein. Nach dem zweiten Klingeln kam mir der Gedanke, dass sie eine versteckte Kamera in meinem Zimmer installiert hatte und nun genau beobachten konnte, wie ich mir Filme anschaue, die eigentlich für verdorbene Hotelgäste vorgesehen waren. Ich stürzte auf den Fernseher zu, stolperte über die Fernbedienung, krabbelte zum Ziel weiter, zog den Netzstecker heraus (das Gestöhne verstummte), packte ein Badetuch und warf es über den Fernseher, als wollte ich damit seine Existenz auslöschen. Das Telefon läutete immer lauter.
„Ja, hallo?“
„Melanie! Liebes, warum bist du so außer Atem?!“
„ Mum! Ich hab gerade die Nachrichten gehört, gesehen, im Fernsehen, die Nachrichten gehört und gesehen, versteht sich, also, die Nachrichten, meine ich.“
Das war mir seit langem nicht mehr passiert. Das letzte Mal, als ich so furchtbar zu stammeln begann, war vor zwei Jahren, als Mutti mich dabei ertappte, Justin eine ungebügelte Unterhose anzuziehen.
„Melanie, nehmen wir an, du hast tatsächlich die
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