Die Flirtfalle
ihr ab. Normalerweise hätte mir das gereicht, um wütend zu sein, aber ich war es nicht. Vielmehr war ich von Anna fasziniert. Sie war eine Frau, die im Gegensatz zu mir wusste, ihre Probleme schnell und schmerzlos zu bewältigen. Ein kurzes Kinnzittern, ein paar Tränchen und schon war die Krise überstanden. Ich hätte einiges von Anna lernen können, aber nun hatte ich sie an Lisa verloren, genauso wie ich Lisa an Anna verloren hatte.
„Mama, ich will auch Barbies haben!“, sagte Justin. Ob es pädagogisch wertvoll wäre, meinem Sohn ein paar Barbies mit Schmink- und Frisierköpfen, echten Brüsten, Reizwäsche und Bikinis für den Sommer zu kaufen? Keine Ahnung.
Ich las Justin zwei Märchen vor. Dabei musste ich meine Stimme so verstellen, dass sich ein Wolf wie ein Wolf anhörte, ein Rotkäppchen wie ein Rotkäppchen und ein Zicklein wie ein Zicklein. Als Justin endlich einschlief, zog ich mich ins Schlafzimmer zurück, packte das Frustkissen und versuchte mich zu entspannen, doch ich musste feststellen, dass ich weder Kraft noch Lust hatte, auf das Kissen einzuschlagen. Vielmehr wollte ich mich betrinken. Leider konnte ich keinen Tropfen Alkohol auftreiben. Nichts. Selbst die Flasche Wein, die Mutti neulich mitgebracht hatte, war spurlos verschwunden.
Ich legte mich auf das Wohnzimmersofa und dachte über die Frage nach, ob ein Mann mit dicken Lippen besser küssen kann als jemand mit Lippen so schmal wie ein Grashalm.
Meine Gedanken waren wieder bei Justin. Für morgen war schönes Wetter angesagt. Wir könnten zum Spielplatz gehen. Wenn ich Glück hatte, würde ich dort Dominiks Mutter Sabine treffen. Ich könnte sie ärgern und nebenbei einwerfen, Justin hätte schon das gesamte Alphabet drauf. Interessant, was sich Sabine diesmal für eine Gegenlüge ausdenken würde.
Das Telefon klingelte.
„Melanie, rate mal!“
„ Lisa? Was ist?“
„Du darfst raten!“
„Komm, lass das. Ich bin schlecht drauf.“
„Anna und ich gehen heute Abend ins ‚Valentin’ Cocktails trinken. Ich weiß, du bist für so etwas nicht zu begeistern, schließlich hast du dich immer ge weigert, mit mir dahin zu gehen. Ich wollte dir einfach nur Bescheid sagen.“
„ Lisa, du weißt, ich kann um diese Zeit nicht weg. Justin schläft. Du hast es gut mit Marta und Mama unter einem Dach, während ich …“
„Sie will mir zeigen, wie man flirtet“, unterbrach sie mich kichernd.
„Schön für dich. Vergiss bitte nicht, dass Anna eine verheiratete Frau ist, ja?“
„Sie ist verheiratet, aber nicht tot“, sagte Lisa in einem Tonfall, als wäre sie betrunken. Mich packte die Wut.
„Du, Lisa. Ich habe auch eine gute Nachricht für dich. Ich werde mich mit deinem Mark treffen!“
„ Melanie, sag es bitte nochmal!“
„Ich werde mich mit deinem Mark treffen!“
„Du bist die Beste! Die aller, aller Allerbeste!“, sagte sie und legte auf. Arme Lisa. Sie war entweder betrunken oder dabei durchzudrehen oder beides und es war alles meine Schuld. Hätte ich nur die kleine Karin und die Koffer in meiner Wohnung aufgenommen, Anna aber mit der gewünschten Schlafdecke unter eine Brücke geschickt, dann wären sich Lisa und Anna erst gar nicht begegnet und Lisa wäre jetzt noch bei gesundem Menschenverstand. Obwohl … Die Arme war bereits vor Annas Erscheinen dabei, auf die schiefe Bahn zu geraten. Heute Nachmittag, zum Beispiel, als sie diesen verrückten Einfall mit der Flirtfalle bekam, da hatte ich schon angefangen, an ihrem gesunden Menschenverstand zu zweifeln. Schön, Lisa. Bitte. Ich werde dein Lockvogel sein! Dein Mark wird aber leider versagen und auf mich abfahren! Wenn es sein muss, werde ich ihn packen, meine Zunge zwischen seine dicken Lippen stecken und den Mann so lange küssen, bis er vor Verlangen nach mir rot sieht.
Ich war viel zu aufgewühlt, um schlafen zu gehen und da mir keine sinnvollere Beschäftigung einfiel, vermerkte ich mir schon mal die Aufgaben für die nächste Woche:
1. Den Friseurt. am Di. absagen und mit dem gesp. Geld zwei Bü. über das Flirten kaufen, wobei man u.a. auch die Frage klären kann, ob das Küs. eine Art flirten ist oder schon zum Sex gehört.
2. Ab sofort eine Diät anf. Bis Fr. drei Pfund abnehmen, damit ich für das Treffen mit Mark meine Obersch. in die flotte Hose hineinquetschen kann, die mir Mutti zum Geburtstag gesch. hat und an der noch das Etikett hängt.
3. Beim Arbeitsamt anrufen und sagen, dass sich an meiner Arbeitsl. nichts geändert hat. (Bevor
Weitere Kostenlose Bücher