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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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Fernbedienung. Für Mikes Geschmack war das Gerät bereits viel zu laut, doch Nadine fehlte die Kraft, um ihre Tochter maßregeln zu können.
    „Ich will… Sponge Bob Schwammkopf sehen“, maulte Fee. Sie wühlte sich durch sämtliche Kanäle. Keiner fesselte das kleine Mädchen länger als fünf Sekunden. Abwechselnd erschienen Jo Brauner und die Tagesschau , Gute Zeiten, schlechte Zeiten und später Um Himmels Willen auf dem Bildschirm.
    „Mama hat Aids und Fee ADS“, gluckste Nadine.
    „Was ist ADS, Mama?“, fragte Fee.
    „Das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, Schätzchen!“ Nadine blinzelte Mike zu. „Fee kann sich auf nichts konzentrieren…“
    „Kann ich wohl, Mama!“, rief Fee. „Ich kann mich auf Dich konzentrieren!“ Sie sprang zu ihrer Mutter ins Bett und schlang die Arme um den knotigen Hals der Kranken. „Ich konzentriere mich ganz auf Dich!“
    Das kleine Mädchen griff nach dem langen Haar ihrer Mama und legte es ihr über die geschwollenen Lymphknoten. „So siehst Du viel schöner aus… Und jetzt suche ich Sponge Bob Schwammkopf so lange, bis ich ihn gefunden habe…“
     
    Nepomuk erwachte aus einem tiefen Katzenschlaf.
    Im ganzen Haus war es totenstill.
    Nur ein armer Mann betete immer. Nepomuk hörte ihn Tag und Nacht. Mimi ließ sich nicht davon stören, aber sie war ja auch zwei Jahre älter. Wie immer hatte die ältere Katze seinen Napf leer gegessen. Allmählich wurde sie dicker und fauler.
    Müde gähnte der kleine Kater.
    Er streckte die Hinterläufe aus, und setzte sich langsam in Bewegung.
    Er wurde gebraucht, das spürte er deutlich. Jemand rief nach ihm. Etwas rief nach ihm. Ein Mensch, der nicht allein sein wollte.
    Nun musste er ihn nur noch finden.
    Ein Blick ins Esszimmer verriet dem Kater, dass dort gründlich gereinigt worden war. Kein Stückchen Fleisch lag unter dem Tisch. Dabei fütterte ihn die nette rothaarige Dame, deren Koffer nach Hunden roch, immer heimlich mit Leckereien. Leider würde sie nicht mehr lange da sein. Gestern hatte er bereits gehört, dass sie beim Aufstehen geächzt hatte. Die Hundedame fürchtete sich vor einem Infekt und stützte sich schwer auf den Rollator. Nepomuk mochte ihr Parfum nicht, aber sie war immer freundlich zu ihm. Genau wie die junge Mutter, obwohl ihr dummer Hund ihn manchmal durchs Haus jagte. Auch das kleine Mädchen besuchte er gern. Viel lieber als den alten Mann, der immer so grässlich nach Rauch stank.
    Vor Herberts Tür blieb Nepomuk einen Moment lang stehen und rieb sein Köpfchen am Türrahmen.
    Wurde er hier gebraucht?
    Nein.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, in Zimmer 12 zu schlüpfen. Schließlich war ein Handtuch um Herberts Türklinke gewickelt worden. Doch dieser Kranke rief nicht nach ihm. Nein, er wurde woanders gebraucht.
    Ob die alte weißhaarige Dame sich mal wieder auf dem Sofa blicken lassen würde? Nepomuk hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr dort angetroffen. Egal, auch sie würde heute Nacht ohne ihn klar kommen.
    Treppauf und treppab lief der kleine Kater. Sein Spaziergang führte ihn zum Zimmer der gelben Dame, die nachts manchmal mit Männern lachte.
    Er trippelte weiter.
    Nepi besuchte den jungen Förster und den betenden Mann, der immer Gott sagte – was immer das bedeuten mochte.
    Beide Menschen würden ohne ihn klar kommen.
    War sein Ziel vielleicht das Zimmer der beiden Frauen, die nachts eng umschlungen einschliefen und deren Herzen im selben Takt schlugen?
    Nein.
    Oder der Raum des krummen Mädchens, das seit Wochen nicht mehr aufstand?
    Auch nicht.
    Vor Golo Grünlichs Tür blieb das Tier stehen und begann mit einer ausgiebigen Körperpflege. Ob es mal hineinschauen sollte? Nepomuk war misstrauisch, aber auch ein bisschen verängstigt. Er fürchtete sich vor der lauten Frau, die oft am Bett des müden Mannes saß und schreckliche Dinge zu ihm sagte, die sie aber nie so meinte. Er, das kleine Katerchen, hörte genau, wie laut ihr Herz pochte vor Angst und aus Liebe. Der müde Mann wusste das auch. Er brauchte heute keine Gesellschaft. Also ließ Nepi ihn weiter schlafen. 
    Schließlich führte ihn sein Instinkt zum richtigen Ort. Schnurr, da war es – Zimmer 1. Drinnen rief etwas nach ihm. Der Kater schlüpfte hinein.
    Omi nannten die Menschen die Dame.
    Hier wohnte die Frau, die so gerne essen wollte, aber keinen Bissen mehr schaffte. Nepomuk warf einen neugierigen Blick auf einen Teller, den Omi beim Aufwachen sehen wollte.
    Er enthielt ein kaltes Hühnchen.
    Der Kater schnurrte und

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