Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Nein, so gern er es auch ab und zu in seiner Nähe wusste, es machte ihm dennoch Angst, dieses unberechenbare Weibsvolk, und die meiste Zeit war er froh, nichts mit den Vertreterinnen dieses Geschlechts zu tun zu haben.
Dennoch konnte er sich nicht helfen.
Jetzt, wo er es sich endlich am Feuer behaglich machen konnte und nichts weiter ertragen musste als einige lästige Stechmücken und die neugierigen, aber scheuen Blicke dieser eigentümlichen Leute, die ihn umgaben– jetzt war es wieder ein Weib, das ihn dennoch nicht zur Ruhe kommen ließ. Immer wieder musste er zu ihr hinüberschauen.
Sie hatte soeben einen schweren Kessel an eine aus Ästen gefertigte Vorrichtung über das Feuer gehängt und ging nun zurück zu dem alten Kerl, der ihr Gemahl sein sollte. Sie sprach ununterbrochen mit ihm, wobei sich ihre Lippen nur ganz leicht bewegten und sie den Alten nicht ein einziges Mal anschaute. Dieser lauschte aufmerksam und gab dabei keinen Ton von sich. So ging das nun schon eine ganze Weile.
Sie wirkten distanziert und vertraut zugleich.
Ein sonderbares Paar war das, und das lag nicht allein an dem großen Altersunterschied und an der Tatsache, dass ein solch schlichter Ackersmann ein derart schönes Weib an seiner Seite hatte. Nein, es war etwas anderes, was Konrad diese beiden Menschen seltsam erscheinen ließ. Doch er konnte es sich nicht erklären. Er wusste nur, dass er den Bauern mit seinen wunden Füßen in diesem Augenblick beneidete. Er war neugierig und hätte gern gelauscht, um herauszufinden, was sie da die ganze Zeit erzählte.
Warum nur konnte er nicht aufhören, sie anzustarren?
Woran lag das? Hatte es damit zu tun, dass er schon seit Monaten bei keiner Frau mehr gewesen war? War das der schlichte Grund?
Nein, genauso gut hätte er dann zu der sehr viel jüngeren, sogar noch etwas hübscheren Elisabeth hinüberschauen können, welche über den Schlaf ihrer Freundin Adelheid wachte, aber dabei Konrad nicht eine Sekunde lang aus den Augen ließ. Das war eindeutig ein Klosterfräulein von der Sorte, denen– wie man zu sagen pflegte– auch nach jahrelangem Aufenthalt hinter heiligen Mauern kein Nonnenfleisch wachsen wollte. Im Gegenteil, dieses junge Ding sprühte nur so vor Lebensdurst, und es würde gewiss nicht mehr lange dauern, bis sie reichlich vom Leben zu kosten bekam.
Doch Konrad wollte derjenige nicht sein.
Ihn reizte etwas anderes.
Es roch widerwärtig, was die » Himbeere « dort gepanscht hatte. Langsam begann dieser Fischsud zu kochen, und der Dampf zog in sichtbaren Schwaden zu Konrad herüber.
Trockenfisch.
Sie saßen am Ufer eines gewiss wassertierreichen Flusses und aßen zum Abendmahl getrockneten und wieder aufgeweichten Fisch.
Nun gut, Konrad wollte sich nicht beschweren. Er war im Grunde dankbar, so friedlich von diesen Menschen aufgenommen worden zu sein und nun die Nacht bei ihnen in ihrem improvisierten Lager verbringen zu dürfen. Doch etwas unwohl war ihm schon in einer solchen Gesellschaft. Auch wenn er viel herumgekommen war in seinem Leben, so war er es doch gewohnt, unter seinesgleichen zu verkehren. Und da er in seinem Orden nichts mit der Verwaltung der enormen Güter zu tun hatte, war ihm der Umgang mit Bauern wenig vertraut. Er kannte sie lediglich aus der Ferne, als mühselig arbeitende, krumme Gestalten auf ihren Feldern. Tumb und wortkarg waren sie meistens, und wenn man ihnen auf den engen Wegen begegnete, schüttelten sie lediglich mürrisch die Köpfe, weil es den edlen Reitern selten einfiel, den schwer mit Heu beladenen Ochsenkarren Platz zu machen. Nein, Konrad hatte diesem Stand bislang kaum Beachtung geschenkt, ausgenommen vielleicht drei oder vier drallen Bauernmädchen, Gänsemägde zumeist, die das zweifelhafte Glück besessen hatten, dem Ritter außerhalb ihres Dorfes zu begegnen, wo er sie zu einem kurzen Stelldichein hatte überreden können. Das waren sie auch schon, die Begegnungen des Konrad von Tiefenbrunn mit den Vertretern des unabdingbaren, tragenden Fundamentes des Lehnswesens.
Nun saß er hier, mitten unter Bauersleuten, einem vollkommen verrückten Gaukler, zwei entflohenen Stiftsdamen und einer mehr als wunderlichen Kräuterhexe. Er musste grinsen, als er darüber nachdachte, und stellte sich vor, was Crispin wohl dazu sagen würde. Wie ein Geächteter gebärdete sich der Kreuzritter hier, pflegte Umgang mit Ehrlosen– und nichts anderes war er im Grunde selbst. Wer wusste schon, welches Urteil in seiner monatelangen
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