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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Elisabeth zur Stelle, um sich um die immer entsetzlicher weinende Adelheid zu kümmern.
    Das, was der Ritter dem Burgfräulein zu sagen hatte, da waren sich nun alle sicher, musste weitaus schlimmer gewesen sein als die schlichte Aufforderung, sie nun zu ihrem unliebsamen Verlobten zu führen. Denn Adelheid gebärdete sich nicht wie eine Verzweifelte, sondern vielmehr wie eine Trauernde.
    » Gewiss eine Todesnachricht « , sagte Marie, an Ulrich gewandt, und blickte noch einmal zu dem Baumstamm, wo nun Elisabeth die aufgelöste Freundin fest in den Armen hielt, während Konrad nurmehr reglos dasaß. Ulrich bekümmerte sich wenig um die Händel dieser edlen Leute. Er zuckte bloß mit den Schultern, und deshalb erschrak Marie auch so sehr, als sie mit einem Mal eine zischende Stimme hinter sich vernahm:
    » Ja, eine Todesnachricht. Und es werden noch viele folgen. «
    » Maja, warum musst du einem ständig das Blut in den Adern gefrieren lassen? « , schimpfte Marie und fischte Ulrichs Strumpf aus dem Topf, in welchem sie eigentlich eine Stockfischsuppe zubereiten wollte. Vor Schreck über Majas fauchende Stimme war ihr der blut- und eitergetränkte Lumpen dort hineingefallen. Marie wrang ihn gründlich aus und begann danach damit, den Trockenfisch in das Salzwasser zu legen, um ihn somit weich und genießbar zu machen.
    » Ihn habe ich gesehen. Ihn « , sagte Maja bloß mit abwesender Miene und deutete mit ihrem knochigen Zeigefinger auf den Ritter. » Er ist es, der den Tod bringt. «
    » Er? « Marie folgte mit den Augen der Richtung, in die Majas Finger wies. » Ich dachte, Fips sei es, den du in deinen Träumen gesehen hast und vor dem wir uns in Acht nehmen müssen. «
    » Ich habe mich getäuscht: Vor Fips musst allein du dich in Acht nehmen, Marie. Doch dieser, er ist eine Gefahr für alle « , gab Maja mit düsterer Stimme zurück. » Ich spüre es. «
    » Vielleicht täuschst du dich auch darin wieder « , erwiderte Marie ein wenig gereizt. Langsam gingen ihr die wankelmütigen Orakelsprüche der guten Alten auf die Nerven.
    » Du bist ja jetzt schon blind « , gab Maja gekränkt zurück und schlich davon.
    » Maja « , rief Marie ihr nach. Doch die Alte winkte nur enttäuscht ab.
    » Sie wird immer eigentümlicher « , meinte Marie daraufhin, an Ulrich gewandt.
    Dieser erwiderte nichts, sondern schaute Marie wieder lange mit diesem neuartigen, ungewohnten Blick in die Augen. » Erzähl mir endlich alles « , sagte er dann völlig unerwartet. » Erzähl mir von deiner Vergangenheit mit diesem narbengesichtigen Mann. «
    Marie atmete tief durch. Jetzt war es also so weit. Zum ersten Male, seitdem sie sich kannten, fragte er nach ihrem früheren Leben. Bislang war es ein unausgesprochenes Gesetz gewesen, dass kein Wort über die Zeit vor Maries Auftauchen in Ulrichs Dorf verloren wurde. Doch nun hatte er sie ganz offen danach gefragt, und sie war ihm längst eine Antwort schuldig.
    Marie hockte sich wieder vor den Topf, in dem sie die Mahlzeit für alle zubereiten wollte. In langsamen Bewegungen klopfte sie den alten, trockenen Fisch mit einem Stein weich und gab ihn in das Wasser. Ulrich beobachtete sie dabei geduldig. Dann endlich, nach einer ganzen Ewigkeit, begann sie zu reden. Sie sprach, ohne auch nur einmal zu ihrem Gemahl zu blicken, ohne auch nur einmal die Reaktion in seinem Gesicht zu überprüfen. Sie erzählte leise, eintönig, aber ausführlich, ließ nichts aus, beschönigte nichts– und Ulrich lauschte ihr.
    Marie konnte sich nicht helfen, sie genoss diesen Moment: Es tat gut, ihm endlich alles zu sagen und sich ein Stück weit von dieser schweren Last zu befreien. Denn Ulrich hatte es verdient, die Wahrheit zu erfahren, auch wenn sie noch so bitter war und seine bislang engelsgleiche Marie in ein vollkommen anderes, sündhaftes, beschmutztes Licht stellte.
    Währenddessen war nicht weit von ihnen Adelheid vor Erschöpfung in den Armen ihrer Freundin Elisabeth eingeschlafen. Konrad fühlte sich erleichtert, war es ihm doch äußerst schwergefallen, sich mit der recht ungestümen Trauer dieses Mädchens auseinanderzusetzen. Hätte er die Wahl gehabt, so wäre er lieber unbewaffnet in eine Löwengrube gesprungen, als hilflos einer weinenden Frau gegenüberzusitzen. Es hatte schon seinen Grund, weshalb er sich für ein Leben ohne Weib und Kinder entschieden hatte, das spürte er in diesem Moment besonders deutlich, und dieser Grund war nicht der Glaube an und die Inanspruchnahme durch Gott allein.

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