Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Situation durchaus zu gefallen. Ganz so, als ob er alles über sie wisse und dieses Wissen genoss, schritt er neben ihr her und lachte in sich hinein wie einer, der es gewohnt war, Frauen in unangenehme Lagen zu bringen.
» Wer, wenn nicht der Gaukler, darf denn die Himbeere pflücken? « , fragte er schließlich dreist und völlig ungezwungen.
Die Hitze aus Maries Körper entwich ebenso plötzlich, wie sie gekommen war. Sie hatte in ihrem Leben wahrlich viele Zweideutigkeiten und noch mehr Eindeutigkeiten aus den Mündern zahlloser Mannsbilder vernommen. Sie wusste nur zu gut damit umzugehen. Doch aus irgendeinem ihr unerfindlichen Grund ärgerte sie sich nun, dass ausgerechnet dieser Mann, ihr Held, ebenfalls– und zwar ganz offensichtlich– zu der Sorte Lump zu zählen war.
» Pflücken darf die Himbeere nur ihr Gemahl, der sie schon sehnsüchtig im Lager erwartet « , gab Marie jetzt spitz zurück und ließ den verdutzten Konrad allein in der aufkommenden Dunkelheit stehen.
XX III
H inkend und mit Tränen in den faltigen Augenwinkeln kam Ulrich seiner Frau entgegen. Otto hatte den schwachen Mann zurückhalten müssen, damit er nicht ebenfalls ganz ins Wasser sprang, nachdem Marie abgetrieben war. Nun ging er vor ihr auf die Knie, umarmte ihre Beine und weinte wie ein Kind.
Marie war gerührt, und gleichzeitig war es ihr furchtbar unangenehm. Vergeblich versuchte sie ihren Mann hochzuziehen, doch dieser ließ sich nicht bewegen.
Konrad, der ihr in einem gewissen Abstand gefolgt war und nun neben ihr stehen blieb, betrachtete die Szene ungläubig. Dieser knochige, lahmende, alte Kerl war also der Gemahl eines solch prächtigen Weibes. Derart seltsame Verbindungen kamen im Adel durchaus vor, aber unter den einfachen Leuten sollte man doch meinen, dass man sich einander aussuchen dürfte. Und nie und niemals hatte diese Frau sich einen solchen Schrat freiwillig zum Gatten erwählt.
Fast hätte er über sein eigenes Erstaunen gar nicht bemerkt, dass er selbst es war, der in dem Lager, welches sie nun erreicht hatten, Verwunderung auslöste. Alle dort Versammelten starrten den edlen Herrn mit offenen Mäulern an, während Regino es sichtlich genoss, ihn umgehend der Gruppe vorzustellen, indem er mit ausladenden Gesten um Konrad herumhüpfte:
» Dieser hochwohlgeborene Edelmann, meine liebsten Freunde, hat soeben seinem Ritterstande alle Ehre erwiesen, indem er ein in übelste Not geratenes Weib unter Möglichkeit der Aufopferung seines eigenen Lebens aus misslicher Lage befreite. Kühn sprang er in die tosende Strömung des wilden Flusses, griff nach der Unglücklichen, zerrte sie an Land und rettete ihr damit ihr weltliches Dasein. Doch damit nicht genug: Eine weitere heldenhafte Mission hat diesen Träger des heiligen Kreuzes zu uns gebracht. Als Erlöser der beiden Jungfrauen, welche in unserer Mitte weilen, steht er vor euch und ist sich nicht zu schade… «
» Nun ist es gut. « Konrad erhob seine Stimme und seine rechte Hand, um dem Treiben des Gauklers, der ihn mit seinem Hopsen und Springen ganz nervös machte, Einhalt zu gebieten.
Regino hielt tatsächlich inne, ja, er verharrte wie versteinert in ebender Pose, in der er sich soeben befunden hatte: das rechte Knie fast bis ans Kinn gezogen und die linke Hand weit in den dunkelnden Himmel gestreckt. Erst als Konrad ihm auffordernd und etwas irritiert zunickte, schüttelte der Gaukler all seine Glieder aus und verbeugte sich dann tief vor seinem Gast.
Konrad räusperte sich vernehmlich und schaute dann in die Runde. Ein Haufen recht verwahrloster Gestalten war es, den er da erblickte.
Da saßen am Lagerfeuer eine Handvoll Bauernburschen in ihren üblichen grauen Kitteln und Kappen, dann waren da noch zwei Bauernmädchen, eine von ihnen nicht unschön, die sonderbare Greisin stand etwas außerhalb, und ebenfalls ein wenig von den anderen abgesondert saßen zwei weitere junge Frauen, auch bloß in Leinen gehüllt, aber den zarten Zügen und der blassen Haut nach zu urteilen, keine von denjenigen Mädchen, die es seit Kindertagen gewohnt waren, hart zu arbeiten. Der junge Kerl, welcher Konrad am Ufer des Flusses so frech die Stirn geboten hatte, hatte sich hinter diesen beiden postiert– breitbeinig, mit vor der schmalen Brust verschränkten Armen und einem zum Kampf entschlossenen Blick.
Konrad vermutete richtig, dass es sich bei einer von ebendiesen zwei so wacker bewachten Mädchen um Adelheid, die Schwester des verstorbenen Friedrich, handeln
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