Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
neigenden Gebarens: Regino war es ernst. Er war sich nie zuvor in seinem Leben der eigenen Schwäche derart bewusst gewesen. Er hatte sich und damit auch anderen, die ihm vertrauten, zu viel zugemutet. Er hatte damit Böses getan. Er hatte versagt. Und darum gab es nur noch einen Ausweg: Regino von Bunseborn würde aufgeben.
Daran, weiter nach seinen Leuten zu suchen und sie wieder mit sich heimzunehmen, oder danach, die ihm teuer gewordene Elisabeth aus den Fängen des Menschenhändlers Vitus Fips zu erretten, dachte er nicht mehr. Regino war der festen Überzeugung, mit seinem einer Bußübung gleichenden Irrweg durch die Saalesümpfe alles versucht zu haben. Er war gescheitert, hatte aber gleichzeitig Buße getan und war nun frei. So zumindest erschien es ihm nun nach dem befreienden Wutausbruch. Jetzt blieb ihm nichts weiter als sein eigenes Leben, und das war ihm mit einem Male wieder so lieb, dass er es auf jeden Fall retten wollte.
» Ja, ins gute, ruhige Heimatdorf, da gehöre ich hin « , wiederholte er erneut, laut klagend.
» An den Galgen gehörst du, Dieb! «
Im Eifer seiner eigenen dramatischen Darbietung, in welcher er vom Selbstmitleid so sehr gefesselt war, hatte Regino nicht bemerkt, dass es hier an diesem Sumpf offenbar doch einen Zuhörer gab. Ein Zuhörer, der ebenso gekleidet war wie er selbst und nun, die Hände in die Hüften gestemmt, vor dem noch immer im Schlamm knienden Regino stand.
Ungläubig schaute dieser den Mann an und blickte dann verblüfft an sich herunter. Der gleiche Mantel, der gleiche Rock, ja, sogar die gleichen Stiefel.
Lediglich der Helm fehlte dem Gaukler, denn den hatte er ja soeben im Moor versenkt.
Nur wenig später– die Sonne war bereits untergegangen– saßen die beiden gleichen, aber dennoch so ungleichen Männer an einem wärmenden Feuer und unterhielten sich. Regino war wieder zufrieden mit sich und seiner Welt, war es ihm doch gelungen, den zunächst erzürnten Ritter zu besänftigen und ihn nun in ein recht angenehmes Gespräch zu verwickeln.
Crispin hingegen war sich nicht sicher, was er von diesem seltsamen Männlein halten sollte. Doch das, was es zu erzählen hatte, klang zwar wirr, aber dennoch glaubhaft, und demnach sah es ganz danach aus, als würde Konrad noch leben, sei zwar maßlos bestohlen worden, aber in Sicherheit.
» In einem kleinen Nest weiter im Norden « , berichtete Crispin, während er ein duftendes Stück Fleisch an einem Stock in die Flamme hielt, » sagte man mir, es irre ein Ordensritter im weißen Mantel in den Saaleauen umher. Zu Fuß sei er unterwegs, mitgenommen sehe er aus, und er rede zu sich selbst. Ich war alarmiert, glaubte meinen Freund Konrad in Not, und so bin ich den Spuren seiner Stiefel gefolgt, die ich im sumpfigen Boden des Flussufers fand. Dann jedoch, als ich ihn am heutigen Tage endlich einholte, musste ich erkennen: Es ist nicht Konrad von Tiefenbrunn, sondern lediglich ein übler Bursche, der sich offensichtlich seiner Kleider bemächtigt hat. «
» Ja, das bin ich « , gab Regino kleinlaut zu und bestätigte damit erneut, was er dem durchaus verständnisvollen, frommen Mann bereits gebeichtet hatte. » Der Diebstahl war eine lebensrettende, notwendige Verzweiflungstat. Rechtlich gleichzusetzen mit dem Mundraube und somit nicht zwingend mit dem Strange zu ahnden. «
Crispin lachte laut. Holte das Fleisch aus den Flammen und reichte es dem hungrigen Spaßvogel, dem bereits der Sabber aus dem Mund troff. Er traute diesem dürren Kerlchen wahrlich nicht zu, es fertigzubringen, einen gestandenen Mann wie Konrad von Tiefenbrunn zu überfallen. Dass er ihm aber des Nachts, in aller Heimlichkeit, die Kleider stibitzt hatte, das war durchaus möglich, und der Bursche leugnete dies ja auch nicht einmal.
» In das von seiner Base geleitete Zisterzienserinnenkloster will er also ziehen? «
» Ja, das will er. Das holde Fräulein Adelheid möchte er dort abgeben. « Regino biss herzhaft in das Fleisch. Rind offensichtlich, zart, von der Lende, frisch und köstlich, aber so heiß, dass er sich empfindlich die Zunge verbrannte. Er schnappte wild nach kühlender Luft.
Auch die letzten Worte klangen für Crispin wieder glaubhaft.
Also hatte Konrad tatsächlich die Schwester Friedrichs gefunden und würde sie nun in aller Heimlichkeit, wie er es dem Sterbenden versprochen hatte, vor ihrem unliebsamen Verlobten an einem sicheren Ort verstecken. Crispin wusste, dass Konrads Base Elisabeth Äbtissin eines
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