Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
konnten.
Die Mienen der Zisterzienser verfinsterten sich, einer der beiden begann lateinische Worte zu murmeln und bekreuzigte sich mit geschlossenen Augen.
Der jüngere, dickere antwortete: » Unaussprechlich sind die Gräuel der Geißel, die der Himmel über das Königreich Philipps VI . ausgeschüttet hat. «
» Es wütet also vorwiegend in Frankreich? « , fragte Konrad.
» Oh nein. Man hört es aus Konstantinopel, aus London, aus Rom und von nördlich wie südlich der Pyrenäen. Nur die deutschen Lande und das Gebiet der Slawen scheinen verschont zu werden. Denn auf unserer Fahrt hierher sind wir ihm nicht begegnet. Nicht, bevor wir Rast im Kloster Marienthron, Heim lieber Schwestern unseres Ordens, machen wollten. «
» Kloster Marienthron? « Konrad durchfuhr es heiß und kalt. Er blickte sich zu Marie und den beiden anderen um, die jedoch etwas abseits standen und aufgrund der fremden Sprache, in der er sich mit den Mönchen unterhielt, nichts verstehen konnten.
» Ein gespenstischer Ort ist es. Man ließ uns nicht hinter die Mauern. Die Menschen im nahen Dorf sagten uns schließlich, ein Fluch liege über dem Kloster, den dortigen Nonnen und Laien. Sie alle stürben nach und nach eines grässlichen Todes. «
» An der Pest « , meinte Konrad matt.
» Wir fürchten, dass es so ist « , bestätigte der Mönch. » Dennoch ist sie uns sonst an keinem weiteren Ort östlich des Rheinflusses begegnet. Wie auch immer ihre fauligen Dämpfe ausgerechnet das Kloster unserer lieben Zisterzienserschwestern erreicht haben, sämtliche sonstige Städte und Dörfer des Reichsgebietes scheinen verschont zu sein. «
» Noch sind sie verschont « , fügte Konrad an.
» Die Gelehrten zu Paris « , meldete sich jetzt der ältere, verwachsene Mönch zu Wort, » sie stellten fest, dass bereits vor einigen Jahren die Position der Sterne dieses Schrecknis ankündigten. Saturn, Jupiter und Mars standen zu der Zeit äußerst ungünstig zueinander, was darauf hindeutete, dass sich in der Erde und im Wasser giftige Dämpfe bildeten, welche nun aufsteigen und die Luft verpesten. Vielleicht ist es möglich, dass das Kloster unserer unglücklichen Mitschwestern zufällig in der Nähe eines solch verseuchten Sumpfes oder Erdloches steht. «
» Eine teuflische Vorstellung « , sagte der Dicke.
» Ja, teuflisch « , bestätigte Konrad geistesabwesend. Er glaubte nicht an prophetische Sterne und giftige Dampflöcher. Er fürchtete, dass den armen Schwestern und mit ihnen womöglich auch seiner Base die Seuche auf anderem Wege gebracht worden war. Durch ihn und die Kranken, die er bei sich führte, als sie Unterschlupf in dem Gästehaus des Klosters fanden.
» Zerriebene Diamanten und der Glaube an Gott werden uns helfen « , gab der Dicke nun als Ratschlag von sich, während er seine Maultiere wieder antrieb. Dann wies er, bereits langsam davonrollend, auf die nahen, imposanten Erhebungen des Riesengebirges und rief: » In diesen Bergen soll es edle Steine in Mengen geben. Entreißt sie dem hier hausenden, gottlosen Waldgeist, zermahlt sie und löst sie in Wein auf: Das ist das beste Mittel, um sich vor der Pest zu schützen. «
Und dann begann er erneut ein Lied, ein trauriges dieses Mal, in welches sein Bruder umgehend mit einstimmte. Erst als sie um einen großen Felsen bogen, erstarb nach und nach der Gesang, welcher bei Konrad noch lange Gänsehaut und Kälte hinterließ.
Er fühlte sich schuldig.
Womöglich ein ganzes Kloster samt der dort arbeitenden Laien war ausgelöscht, weil er ihnen den Tod gebracht hatte. In Italien, Frankreich, Spanien und England wütete die Pest allerorten, doch jenseits der Alpen offenbar nur dort, wohin es ihn, Konrad von Tiefenbrunn, verschlagen hatte.
Wer war es, der ihm diesen bösen, schweren Fluch aufgebürdet hatte?
Und warum? Lag es an der ungesühnten Schuld, die er durch den Tod des jungen von Topfen auf sich geladen hatte?
» Was haben sie erzählt? « Regino hatte sich leise angeschlichen und musterte Konrad mit erwartungsvollen Augen. Diesem war nicht danach zumute, dem Gaukler von dem Sterben im Kloster Marienthron zu berichten. Er wollte diese bittere Wahrheit lieber für sich behalten, es war seine Bürde, die er nicht zu teilen gedachte.
» Von Diamanten und einem Waldmann in den hiesigen Bergen haben sie erzählt « , brummte Konrad bloß, griff nach seinem auf dem Boden liegenden Beutel und stapfte, ohne die drei anderen zu beachten, weiter.
Marie blickte ihm traurig
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