Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Knecht « , erwiderte der andere nur. Er lag jetzt, die Hände unter dem Kopf verschränkt, auf dem Rücken und ließ seine bunten Ratten auf seinem Bauch tanzen.
Konrad verzichtete darauf, sich dieses widerwärtige Bild weiter anzuschauen, und beschloss, kein weiteres Wort mit dem Unwürdigen zu sprechen. Mürrisch erledigte er die notwendige Arbeit allein. Das war ihm ohnehin ganz recht, wimmelte es auf diesem Anwesen doch offenbar von eigentümlichen Gestalten, denen nicht zu trauen war.
Vielleicht, so überlegte er, wäre es sogar besser, gleich hier im Stall eine Schlafstatt zu errichten und das verwanzte Lager der Wirtin zu verschmähen, die es womöglich noch für ihre Pflicht hielt, sich in dieser Nacht von dem Ritter beiwohnen zu lassen. Danach stand ihm nun wahrlich nicht der Sinn, da war ihm die Anwesenheit dieses komischen Kauzes und seiner Drecksviecher fast lieber. Auch die sich noch in der Satteltasche befindliche Wegzehrung würde gewiss ein besseres Abendmahl darstellen als die mit mehr als großer Wahrscheinlichkeit widerliche Pampe der Wirtin.
Schweigend und den anderen vollkommen ignorierend bereitete Konrad sich also, nachdem das Pferd versorgt war, aus mitgebrachten Decken und seinem Wollmantel eine gemütliche Bettstatt auf frischem Stroh. Er war gerade dabei, den Proviantbeutel zu öffnen und ein Stück Speck herauszuholen, als sich der vermeintliche Knecht ein wenig aufrichtete und auf einen Ellbogen gestützt mit hungrigem Blick zu Konrad herübersah.
» Er glaubt doch nicht, dass ich einem Faulpelz wie ihm ein Stück Speck zuwerfe « , sagte Konrad bloß und griff nach einem scharfen Messer mit verziertem Horngriff, das er an seinem Gürtel trug. Gekonnt schnitt er eine dünne Scheibe Speck ab und ließ sie genüsslich in den Mund gleiten. Dabei grinste er den Hungrigen hämisch an.
» Wenn du nicht willst, dass ich dir in dieser Nacht mit deinem eigenen Messer die Kehle durchschneide, Ritter, dann gibst du mir ab von deinem Speck. «
Das fand Konrad nun gar nicht lustig.
Langsam legte er Messer und Speck zur Seite, schlug die Decke zurück und erhob sich. All das dauerte lang, und die ganze Zeit über ruhte der stechende Blick des anderen auf ihm. Was dann jedoch geschah, geschah rasch, so rasch, dass der Narbige nicht einmal mehr die Möglichkeit hatte, sich zu regen. Im Nu spürte er nämlich die Klinge eines mächtigen Schwertes an seinem dünnen Hals.
» Der, der dich einst so zugerichtet hat, Halunke: Er hat allen Grund dazu gehabt und verdient den Segen des Herrn « , zischte Konrad, während er über dem anderen stand und ihm, ohne eine Miene zu verziehen, ins vernarbte Gesicht sah.
» Die « , meinte der am Boden Liegende nur und lachte dabei gequält. Die scharfe Klinge bohrte sich dabei ein wenig in seinen hervorspringenden Kehlkopf und schlitzte die Haut auf, sodass Blut herauslief.
» Was: Die? « , fragte Konrad.
» Die. Es war eine Frau, die mich so zugerichtet hat. «
Konrad nahm das Schwert nun fort und schritt zurück zu seinem Lager und seinem Speck.
» Ein gutes Weib « , sagte er dann.
» Ein prächtiges Weib « , bestätigte der andere, wieder lüstern auf den Speck starrend und sich den verletzten Hals reibend.
» So? Prächtig? Lebt sie noch? « , meinte Konrad nun, schnitt dieses Mal ein recht dickes Stück ab und warf es dem Mann zu, der es dankend mit seiner verkrüppelten Hand auffing. Gleich waren die Ratten zur Stelle und erwarteten fiepend ihren Anteil, den sie zu Konrads Erstaunen auch allesamt erhielten.
» Oh ja, sie lebt noch. Ihr solltet sie kennenlernen, wohlgeborener Herr. Ihr hättet Eure wahre Freude an ihr « , antwortete der Narbige kauend und griff dann nach einem grauen Umhang, der bislang unter ihm gelegen hatte und mit dem er sich nun zuzudecken gedachte.
Konrad bekümmerte sich nicht weiter um den Rattenfänger. Er war müde und wollte ruhen. Da jedoch, als sein Blick kurz noch einmal auf den anderen fiel, welcher soeben den Umhang um seine Schultern schwang, klappte Konrads Kinnlade nach unten. Wieder war er im Nu auf den Beinen, ging in raschen Schritten auf den Fremden zu und entriss ihm mit einem Ruck den Mantel, auf welchem bereits zwei Ratten emporgeklettert waren, die jetzt schrill kreischend durch den Stall flogen und irgendwo im Hintergrund im Heu landeten.
» Woher hast du diesen Umhang? « , schrie Konrad mit dröhnender Stimme, und gleich war wieder das Schwert zur Hand, welches er nun jedoch so hielt, als wolle er
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