Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Fluch aus, als er davonhumpelte. Den Schwarzen Tod hat er uns an den Hals gewünscht. Was immer er damit meinte. «
Maja griff bei diesen Worten des krummen, gutmütigen Bergmannes hastig in einen ihrer vielen kleinen Beutel, die um ihre Hüften gebunden waren, und bestreute ihn rasch mit einem weißen Pulver.
» Was ist das? « , fragte er entsetzt und wich zurück.
» Das brauchst du nicht zu wissen. Nur so viel: Wenigstens dich soll der Fluch nun nicht mehr ereilen, guter Mann. «
» Vergelt’s dir Gott, alte Frau « , sagte der Krumme nun und machte seinerseits– zur Sicherheit nach dieser womöglich zweifelhaften Hilfeleistung– ein Kreuzzeichen. » Ich muss nun gehen. Bin ohnehin zu spät an diesem Morgen. Musste die Kinderlein selber versorgen und auf die Hebamme warten, denn mein Weib liegt schon seit dem gestrigen Tage in den Wehen. «
Eilig hastete er davon.
Dann– er war bereits einige Schritte gegangen– drehte er sich noch einmal um: » Gib mir besser von deinem Pulver mit, Alte. Ich will meine Kameraden damit bestreuen. Und auch mein Weib, falls es heute Abend noch am Leben ist. «
» Hier, nimm « , rief Maja zurück und warf ihm gleich den ganzen ledernen Beutel zu, der nichts anderes als Kalk enthielt.
» Dir und deiner Sippe alles Gute, lieber Bergmann « , rief nun auch Marie. » Gott möge euch beistehen. «
Dann wandten auch sie sich zum Gehen.
» Also ist Fips tatsächlich der Mann mit dem schwarzen Kreuz, den du in deinen Träumen gesehen hast « , sagte Marie aufgewühlt, nachdem sie wieder den Wald betreten hatten.
» Es hat den Anschein « , antwortete Maja nachdenklich.
» Und er soll vom Schwarzen Tod gesprochen haben. Auch den hast du doch gesehen. «
» Ja, so ist es. «
» Aber was ist der Schwarze Tod, Maja? «
» Ich weiß es nicht. «
» Ein Fluch? «
» Gewiss ist es ein Fluch. «
» Fipsens Fluch? «
» Ein Fluch, so gewaltig, dass dessen Folgen ganze Dörfer und Städte entvölkern « , flüsterte die Alte bedrohlich.
Marie blieb stehen.
» Was redest du da? « , fragte sie, Maja ungläubig ins Gesicht blickend.
» So zeigen es mir die Bilder in meinem Kopf. Leere Hütten, leere Häuser. Mehr jedoch sehe ich nicht « , antwortete Maja finster, langsam an der noch immer dastehenden Marie vorüberschreitend, ohne diese anzuschauen.
Marie schüttelte sich, kratzte sich dann am Kopf und fing schließlich leise an zu lachen:
» Fips stiehlt Frauen und Kinder, aber er kann gewiss nicht ganze Städte vernichten. Maja, du hast bloß zu viel gegessen und dann schlecht geträumt. «
» Wovon soll ich zu viel gegessen haben, Kind? Kann man sich an nichts überfressen? « , vernahm Marie die nun wieder etwas weltlichere Stimme der weiter dahinziehenden Maja. » Jetzt komm, Marie, wir wollen den Anschluss an Regino und die anderen nicht verlieren. Eine Gelegenheit, deinem Fips den Hals umzudrehen, bevor er seine Untaten fortsetzen kann, wird sich hoffentlich bald finden. Hier in diesem Wald ist er nicht mehr. Das spüre ich. «
» Ja, das spürst du. Gewiss doch « , murmelte Marie kopfschüttelnd und folgte nun der Alten, nicht ohne immer wieder vorsichtig hinter Wurzeln und umgestürzte Bäume zu blicken, ob sich dort vielleicht doch jemand verbarg.
XXI
W elch ein herrlich trockener Tag. Wollen wir uns hier unter diesen wunderlichen Stein hocken und auf die beiden Frauen warten? «
Regino hatte sich bereits hingesetzt und an den löchrigen Brocken gelehnt, der sicherlich nicht zufällig an dieser Stelle inmitten der Landschaft stand, sondern vielmehr einem Mahnmal glich. Doch die Geschichte hinter diesem Stein mit seinem faustdicken Loch in der Mitte interessierte Regino, der sich sonst sehr für Mythen und Legenden begeistern ließ, im Moment nicht: Seine Gedanken kreisten um Marie und Maja, die zurückgeblieben waren, um sich dem sie verfolgenden Unhold in den Weg zu stellen.
» Hoffentlich geht das gut « , murmelte Regino vor sich hin, während er auf dem Stängel eines Blümchens kaute und sich das Gesicht von den seltenen Sonnenstrahlen bescheinen ließ. Dabei dachte er nicht einen Moment lang darüber nach, dass auch er sich der Gefahr hätte stellen müssen, denn immerhin war es sein Einfall gewesen, Vitus Fips nun ein für alle Mal loszuwerden. Nein, daran dachte er nicht. Nicht aus Feigheit oder gar Boshaftigkeit, nein, es war ihm gar nicht eingefallen. Vielmehr ärgerte es ihn, dass ausgerechnet die wertvolle Maja so stur sein musste und ihr
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