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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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von ihnen dringt das unruhige Lärmmurmeln eines schlafenden Mannes. Julia? und zu Pferd und Sag ihm, es war anders und nach Tagesanbruch den Fluss hinauf und eine Menge anderer Gedankenfetzen, die keinen Sinn ergeben, denn der Lärm aus Träumen ist der eigenartigste von allen. Aus der anderen Hütte dringt Stille, es ist die quälende Stille, die von Frauen ausgeht, ich spüre sie bis hierher. Männer in der einen Hütte, Frauen in der anderen, vermutlich ist das eine Möglichkeit, das Schlafproblem zu lösen. Die Stille, die von der Frauenhütte zu mir herüberdringt, lässt mich an Viola denken, und ich muss mich für eine Weile Halt suchend an einen Baumstamm lehnen.
    Aber wo Menschen sind, da ist auch Essen.
    »Findest du den Weg zurück zu deiner Fährte, wenn wir sie jetzt verlassen?«, flüstere ich Manchee zu und unterdrücke einen Hustenanfall.
    »Finde Fährte«, bellt Manchee ernst zurück.
    »Bist du sicher?«
    »Todd riecht«, bellt er, »Manchee riecht.«
    »Dann los, und sei still.« Wir schleichen den Hügel hinunter, bewegen uns so vorsichtig wie möglich zwischen Bäumen und Büschen, bis wir eine Talsohle erreichen. Über uns sind die Hütten, sie schmiegen sich schlafend an die Hangseite.
    Ich höre, wie sich mein Lärm in diese Welt ergießt, heiß und stickig wie der Schweiß, der an mir herabrinnt, und ich versuche ihn unverdächtig und leise zu halten, so wie es Tam gemacht hat, Tam, der den Lärm besser beherrscht, als irgendein Mann in Prentisstown es je könnte.
    Und hier ist der Beweis.
    Prentisstown? , tönt es mir aus der Hütte der Männer beinahe augenblicklich entgegen.
    Wir bleiben wie angewurzelt stehen. Meine Schultern erschlaffen. Ich höre hier immer noch den Lärm aus Träumen, aber die Worte pflanzen sich in den schlafenden Männern fort wie Echos in einem Tal. Prentisstown? und Prentisstown? und Prentisstown? , es klingt, als wüssten sie nicht, was das Wort bedeutet.
    Doch wenn sie aufwachen, wissen sie es.
    Du Idiot.
    »Gehen wir«, sage ich, und wir schleichen auf demselben Weg zurück, auf dem wir gekommen sind.
    »Essen?«, bellt Manchee.
    »Komm schon.«
    Also immer noch nichts zu essen für mich, aber wir laufen weiter durch die Nacht, so schnell wir können.
    Schneller, Todd. Beweg dich!
    Weiter, immer weiter eilen wir, manchmal muss ich mich an Pflanzen festklammern, um mich daran hinaufzuziehen, dann wieder klammere ich mich an Felsen, um nicht abzustürzen. Wir halten uns weitab von allem, von den flacheren Gegenden unten am Fluss oder von der Straße, wo das Fortkommen für uns einfacher wäre, und ich muss husten, manchmal stolpere ich auch, und als sich die ersten Strahlen derMorgensonne am Horizont zeigen, kommt der Augenblick, an dem ich einfach nicht mehr weiterkann, an dem nichts mehr geht, an dem meine Beine unter mir einknicken und ich mich hinsetzen muss.
    Ich muss mich einfach hinsetzen.
    (Es tut mir leid.)
    Mein Rücken schmerzt, mein Kopf schmerzt, und ich schwitze unerträglich stark, und ich habe solchen Hunger. Ich muss mich einfach hinsetzen und mich an einen Baumstamm lehnen, wenn es auch nur für eine Minute ist, ich muss es einfach, es tut mir leid, es tut mir leid, leid, leid.
    »Todd?«, murmelt Manchee und kommt zu mir.
    »Mir geht’s gut, alter Junge.«
    »Heiß, Todd«, sagt er und meint mich damit.
    Ich huste laut und mein Atem rasselt wie Geröll, das ins Tal poltert.
    Steh auf, Todd Hewitt. Heb deinen verdammten Arsch und geh weiter.
    Mir schwinden die Sinne, ich kann mich nicht dagegen wehren, ich versuche an Viola zu denken, aber meine Gedanken schweifen schon wieder ab, und ich bin noch klein, ich liege krank im Bett, und mir geht es wirklich schlecht, und Ben bleibt bei mir im Zimmer, denn im Fieber sehe ich merkwürdige Sachen, schreckliche Sachen, leuchtende Wände, Menschen, die gar nicht da sind, Ben wachsen Reißzähne und Arme, alles Mögliche, und ich schreie und will mich losreißen, aber Ben ist bei mir, und er singt das Lied für mich, und er gibt mir frisches Wasser, und er holt Tabletten ...
    Tabletten.
    Ben gibt mir Tabletten.
    Das ist es.
    Ich hebe den Kopf und durchwühle Violas Tasche, krame ihr Erste-Hilfe-Set hervor. Es sind alle möglichen Sorten Tabletten darin, viel zu viele. Die kleinen Packungen tragen Aufschriften, aber ich verstehe sie nicht, und ich kann es nicht riskieren, die Beruhigungspillen zu schlucken, die Manchee außer Gefecht gesetzt haben. Ich öffne mein eigenes Erste-Hilfe-Päckchen, das lange

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