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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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nicht so gut ist wie ihres, aber darin sind weiße Tabletten, von denen ich weiß, dass sie zumindest die Schmerzen lindern, auch wenn sie schmuddelig und selbst gemacht sind. Ich nehme zwei davon, und dann noch mal zwei.
    Steh auf, du nutzloser Haufen Scheiße!
    Ich setze mich auf, ringe nach Luft und kämpfe, kämpfe, kämpfe gegen den Schlaf, warte darauf, dass die Tabletten ihre Wirkung tun, und als die Sonne langsam über den Gipfel eines fernen Berges steigt, habe ich das Gefühl, dass es mir ein wenig besser geht.
    Ich weiß nicht, ob es wirklich stimmt, aber ich habe keine andere Wahl.
    Steh auf, Todd Hewitt. Beweg dich, verdammt noch mal. »Okay«, sage ich zu mir selbst, keuchend und meine Knie reibend. »Wo entlang, Manchee ?«
    Und weiter geht’s.
    Die Witterung, die Manchee aufgenommen hat, führt uns auf einen ähnlichen Weg wie früher, weg von der Straße, weg von Häusern in der Ferne, aber immer vorwärts, immer in Richtung Haven, weshalb, das weiß nur Aaron. Am Vormittag stoßen wir auf einen kleinen Bach, der zum Fluss hinfließt. Ich suche den Bach nach Krokodilen ab, obwohl er viel zu kleinfür Krokodile ist, und fülle die Wasserflaschen nach. Manchee watet im Wasser, schlürft es, schnappt vergeblich nach den kleinen metallisch leuchtenden Fischen, die vorbeischwimmen und sein Fell anknabbern.
    Ich knie mich hin und wasche mir den Schweiß vom Gesicht. Das Wasser ist kalt und wirkt wie eine Ohrfeige und es macht mich ein bisschen munterer. Ich wünschte, ich wüsste, ob wir ihnen schon näher gekommen sind. Ich wünschte, ich wüsste, wie weit sie uns voraus sind.
    Und ich wünschte, er hätte uns niemals gefunden.
    Und ganz besonders wünschte ich, er hätte Viola nicht gefunden.
    Und ich wünschte, Ben und Cillian hätten mich nicht angelogen.
    Und ich wünschte, Ben wäre jetzt hier.
    Und ich wünschte, ich wäre wieder daheim in Prentisstown.
    Ich setze mich auf die Fersen und schaue hoch in die Sonne.
    Nein, nein. Es stimmt nicht. Ich wünsche mir nicht, wieder zu Hause in Prentisstown zu sein. Das möchte ich nie mehr. Nie mehr.
    Und wenn Aaron sie damals nicht gefunden hätte, dann hätte ich sie vielleicht auch nicht gefunden, und das wäre doch auch nicht gut gewesen.
    »Komm weiter, Manchee.« Ich drehe mich um und will die Tasche aufheben.
    Und da sehe ich die Schildkröte, die sich auf einem Felsen sonnt.
    Ich rühre mich nicht vom Fleck.
    So eine Schildkröte habe ich noch nie gesehen. Ihr Panzer ist scharf gezackt, an den Seiten sind dunkelrote Streifen. Die Schildkröte hat ihren Panzer geöffnet, um so viel Wärme wie möglich zu bekommen, ihr weiches Hinterteil liegt völlig frei.
    Da, wo ich herkomme, isst man Schildkröten.
    Ihr Lärm besteht nur aus einem langen Aaah , zu dem sie das warme Sonnenlicht verführt. Sie scheint sich nicht sonderlich um uns zu kümmern, wahrscheinlich denkt sie, sie kann ihren Panzer blitzartig verschließen und unter Wasser wegtauchen, ehe wir auch nur in ihre Nähe kommen.
    Und selbst wenn wir sie erwischen, können wir ihren Panzer nicht aufbrechen, um sie zu verspeisen.
    Es sei dann, ich hätte ein Messer, mit dem ich sie töten könnte.
    »Schildkröte!«, bellt Manchee. Er weicht zurück, denn die Sumpfschildkröten, die wir kennen, schnappen nach Hunden. Aber die Schildkröte sitzt einfach da und nimmt uns gar nicht ernst.
    Ich greife hinter mich, um mein Messer hervorzuholen. Ich habe es fast erreicht, als ich den Schmerz zwischen meinen Schultern spüre.
    Ich halte inne. Ich schlucke.
    (Spackle und Schmerz und Verwunderung.)
    Ich schaue ins Wasser, sehe mich, mein Haar wirr wie ein Vogelnest, der halbe Kopf ist bandagiert, ich bin schmutziger als ein altes Schaf.
    Mit einer Hand greife ich nach meinem Messer.
    (Rotes Blut und Angst und Angst und Angst.)
    Ich halte inne.
    Ich nehme die Hand weg.
    Ich stehe auf.
    »Komm, Manchee«, sage ich. Ich blicke nicht zur Schildkröte hinüber, höre nicht auf ihren Lärm. Manchee bellt sie noch ein paarmal an, aber ich bin schon auf der anderen Seite des Bachs und weiter geht’s, weiter, immer weiter.
    Ich kann nicht jagen.
    Und ich kann auch nicht in die Nähe von Siedlungen gehen.
    Und wenn ich Viola und Aaron nicht bald finde, dann verhungere ich, es sei denn, dieser Husten bringt mich vorher um.
    »Großartig«, sage ich zu mir, denn ich kann nichts tun, als so schnell wie möglich weiterzugehen.
    Nicht schnell genug, Todd. Heb deine Scheißfüße, du Schwach kopf!
    Der Morgen wird zum

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