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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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bist als ein Mann, der seinen Sohn gesucht hat. Aber Gesetz ist nun mal Gesetz.«
    »Du hast also eine Entscheidung getroffen?«, fragt der Bärtige.
    »Wenn die Ältesten einverstanden sind«, sagt Doktor Snow. Alle nicken, zögernd, ernst, knapp. Doktor Snow sieht mich an. »Es tut mir leid, Todd.«
    »Wartet!«
    Aber der mit dem Muttermal ist schon zu mir getreten und packt mich am Arm.
    »Lass mich los!«
    Ein anderer will Viola festhalten, aber sie wehrt sich ebenso sehr wie ich.
    »Ben!«, rufe ich und wende den Kopf. »Ben!«
    »Geh, Todd«, sagt er nur.
    »Nein, Ben!«
    »Vergiss nicht, ich liebe dich.«
    »Was haben sie mit dir vor?« Ich versuche mich loszureißen, blicke Doktor Snow flehend an. »Was macht ihr mit ihm?«
    Er gibt mir keine Antwort, aber ich kann es in seinem Lärm lesen. Was das Gesetz verlangt.
    »Zur Hölle mit euch!«, schreie ich, und mit meiner freien Hand greife ich nach meinem Messer. Ich hole aus, treffe dieHand des Mannes mit dem Muttermal und versetze ihm einen Schnitt quer über den Handrücken. Er schreit auf und lässt mich los.
    »Lauf!«, rufe ich Ben zu. »Lauf endlich!«
    Ich sehe, wie Viola dem Mann, der sie festhält, in die Hand beißt. Er schreit auf und taumelt zurück.
    »Du auch!«, rufe ich. »Lauf!«
    »Das würde ich nicht tun«, sagt der Bärtige. Überall knacken die Gewehre.
    Der mit dem Muttermal stößt einen Fluch aus und holt mit dem Arm nach mir aus, aber ich halte das Messer vor mich. »Versuch’s doch!«, zische ich. »Na los!«
    »Es reicht!«, schreit Doktor Snow.
    In der schlagartig eingetretenen Stille, hören wir plötzlich Hufgetrappel.
    Tam-tata-tam-tata-tam.
    Pferde. Vielleicht fünf. Zehn. Vielleicht fünfzehn.
    Sie donnern die Straße entlang, als wäre der Teufel selbst hinter ihnen her.
    »Kundschafter?«, frage ich Ben, obwohl ich weiß, dass es keine Kundschafter sind.
    Er schüttelt den Kopf. »Ein Voraustrupp.«
    »Sie sind sicher bewaffnet«, sage ich zu Doktor Snow und den Männern und überlege fieberhaft. »Sie haben bestimmt so viele Gewehre wie ihr.«
    Doktor Snow überlegt. Ich sehe, wie sein Lärm flirrt, sehe, dass er überlegt, wie viel Zeit ihnen bleibt, bis die Reiter hier sind, wie viele Schwierigkeiten ich und Ben und Viola ihnen bereiten könnten, wie viel Zeit wir sie kosten könnten.
    Und ich sehe, wie er einen Entschluss fasst.
    »Lasst sie laufen.«
    »Was?«, sagt der Bärtige. In Gedanken brennt er geradezu darauf abzudrücken. »Er ist ein Verräter und ein Mörder.«
    »Wir haben eine Stadt zu verteidigen«, sagt Doktor Snow entschlossen. »Ich habe einen Sohn, den ich beschützen muss. Und du auch, Fergal.«
    Der Bärtige sieht ihn stirnrunzelnd an, sagt jedoch kein Wort.
    Tam-tata-tam-tata-tam, tönt es von der Straße her. »Geht«, sagt der Arzt zu uns. »Ich kann nur hoffen, dass nicht ihr es wart, die unser Schicksal besiegelt habt.«
    »Das haben wir nicht«, versichere ich ihm, »und das ist die reine Wahrheit.«
    Doktor Snow presst die Lippen zusammen. »Ich möchte dir gern glauben.« Dann befiehlt er den Männern: »Los! Auf eure Posten! Schnell!«
    Die Männer eilen nach Carbonel Downs zurück, der Bärtige und der mit dem Muttermal sind noch im Fortgehen zornig auf uns, sie suchen noch immer eine Gelegenheit abzudrücken, doch wir bieten ihnen keine. Wir sehen nur zu, wie sie abziehen.
    Ich merke, dass ich zittere.
    »Verfluchter Mist!«, sagt Viola. Sie scheint wacklig auf den Beinen.
    »Wir müssen von hier verschwinden«, sage ich zu ihr. »Die Armee interessiert sich mehr für uns als für die anderen.«
    Ich habe Violas Tasche bei mir, obwohl darin nur noch ein paar Kleidungsstücke, die Wasserflaschen, das Fernglas und das Buch meiner Muter in dem Plastikbeutel stecken. Alles, was uns auf dieser Welt geblieben ist.
    Wir sind also bereit zum Aufbruch.
    »So etwas wird uns immer wieder passieren«, sagt Ben. »Ich darf nicht mit euch gehen.«
    »Natürlich kommst du mit«, sage ich. »Du kannst später weggehen, aber jetzt wirst du uns begleiten. Wir werden dich nicht der Armee in die Hände fallen lassen.« Ich blicke Viola an. »Stimmt’s?«
    Sie drückt die Schultern zurück und setzt einen entschlossenen Blick auf. »Stimmt«, antwortet sie.
    »Das wäre also abgemacht«, stelle ich fest.
    Ben runzelt die Stirn. »Aber nur, bis ich weiß, dass ihr in Sicherheit seid.«
    »Wir reden zu viel«, sage ich. »Wir sollten besser laufen.«

36
    Antworten auf Fragen
    Wir halten uns aus naheliegenden

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