Die Flucht
ich eine Bewegung machen kann, packt Aaron mich schon wieder am Hemdkragen und an der Haut darunter und zerrt mich auf die Füße. Ich schreie auf, so weh tut es.
Manchee bellt wütend: »Aaron!« und will sich in seine Beine verbeißen, aber Aaron würdigt ihn keines Blicks, sondern versetzt ihm einen derben Tritt.
Aaron hält mich hoch, damit ich ihm ins Gesicht sehe. Ich kann nur das Auge offen halten, das nicht so arg schmerzt, um ihn anzusehen.
»Was, im Namen des gepriesenen Gartens Eden, hast du, Todd Hewitt, hier in diesem Sumpf zu suchen?«, fragt er. Sein Atem stinkt nach Fleisch, und sein Lärm ist so entsetzlich, dass man ihn eigentlich gar nicht hören mag. »Solltest du nicht auf der Farm sein, Junge?«
Mit seiner freien Hand schlägt er mir in den Bauch. Ich möchte mich am liebsten krümmen vor Schmerz, aber er hält mich noch immer am Hemdkragen und an der Haut darunter gepackt.
»Du solltest nach Hause gehen«, sagt er. »Dort gibt es etwas, was du unbedingt sehen musst.«
Der Ton, in dem er das sagt, lässt mich aufhorchen, und ein Flimmern in seinem Lärm lässt mich ein Körnchen Wahrheit erkennen.
»Du hast sie geschickt«, stoße ich hervor. »Nicht mich haben sie gehört, sondern dich.«
»Aus pfiffigen Jungen werden nutzlose Männer«, sagt er und würgt mich.
Ich schreie auf, aber ich rede, verdammt noch mal, weiter.»Sie haben die Stille in meinem Lärm gar nicht gehört. Sie haben sie in deinem Lärm gehört, und du hast sie auf mich gehetzt, damit sie dich in Ruhe lassen.«
»Oh nein, Todd«, erwidert er. »Sie haben es in deinem Lärm gehört. Dafür habe ich schon gesorgt. Ich habe dafür gesorgt, dass sie ganz genau wissen, wer die Gefahr in unsere Stadt gebracht hat.« Er fletscht die Zähne unter seinem Bart zu einem breiten Grinsen. »Und wer für diese Mühe belohnt werden sollte.«
»Du bist verrückt«, sage ich, und oh Mann, wenn jemals etwas wahr gewesen ist, dann dies, auch wenn ich wünschte, es wäre anders.
Sein Lächeln wird starr und er beißt die Zähne zusammen. »Es gehört mir, Todd«, sagt er. »Mir.«
Ich weiß nicht, was er meint, aber es kümmert mich auch nicht sonderlich, denn in diesem Moment merke ich, dass sowohl Aaron als auch ich etwas Wichtiges übersehen haben.
Ich habe noch das Messer in der Hand.
Und dann passiert alles auf einmal.
Aaron hört »Messer« in meinem Lärm und bemerkt seinen Fehler. Er holt mit seiner freien Hand aus, um mir einen Schlag zu versetzen.
Ich ziehe die Hand zurück, in der ich das Messer halte, und überlege, ob ich es wirklich schaffe, ihn zu erstechen.
Etwas knackt im Schilf und Manchee bellt: »Krokodil!«
Und zur gleichen Zeit hören wir alle: Zappelmann .
Ehe Aaron sich umdrehen kann, hat ihn das Krokodil schon gepackt, die Zähne in seine Schultern gegraben und ihn ins Dickicht gezerrt. Aaron hat mich losgelassen, ich stürze hin und versuche dabei, mit den Händen all die schmerzendenStellen zu schützen, die er auf meiner Brust hinterlassen hat. Ich schaue hoch und sehe, wie Aaron im Schlamm verzweifelt um sich schlägt und mit dem Krokodil kämpft, während ihm die Rückenzacken weiterer Krokodile immer näher kommen.
»Weg hier!«, bellt Manchee, seine Stimme überschlägt sich beinahe.
»Du hast verdammt Recht«, keuche ich und versuche aufzustehen. Das Gewicht des Rucksacks nimmt mir fast wieder das Gleichgewicht. Ich bemühe mich verzweifelt, mein verletztes Auge aufzureißen. Und währenddessen rennen wir und rennen und rennen.
Wir lassen den Morast hinter uns und laufen am Rande der Felder entlang, dorthin, wo der Pfad durch den Sumpf beginnt, und wir folgen diesem Weg, und als wir zu dem umgestürzten Baumstamm kommen, über den ich Manchee immer hinüberhelfen muss, fliegt er ohne Zaudern darüber hinweg, ich dicht hinter ihm her, und wir rennen bis zu den Spackle-Hütten, geradeso wie heute Morgen.
Ich halte noch immer das Messer in der Hand. Mein Lärm dröhnt so laut, und ich habe Angst, und ich bin verletzt und völlig außer mir, trotzdem habe ich nicht die Spur eines Zweifels: Ich werde den Spackle finden, der sich in dem Loch im Lärm versteckt, und ich werde ihn tot, tot, totschlagen, um ihm alles heimzuzahlen, was heute passiert ist.
»Wo ist sie ?«, frage ich Manchee. »Wo ist die Stille?«
Manchee schnüffelt wie verrückt herum, er rennt von einer Hütte zur nächsten, und ich versuche, so gut es geht, meinen inneren Lärm zu dämpfen, aber scheinbar hat das überhaupt
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