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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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hervor. Der geölte Einband glänzt im Mondlicht. Ich blättere durch die Seiten.
    Ob meine Mutter auch voller Vorfreude war, als sie hier landete? Dachte auch sie nur an Frieden, Hoffnung und Glück?
    Hat sie ein wenig dieses Glücks gefunden, bevor sie starb?
    Meine Brust wird eng, deshalb stecke ich das Buch in den Rucksack zurück und lehne den Kopf gegen die Holzbretter der Mühle. Ich lausche auf den Fluss, auf die Bäume, die sich etwas zuwispern, ich betrachte die Silhouetten der Berge in der Ferne und die Umrisse der Wälder dort.
    Ich warte ein paar Minuten, dann gehe ich wieder hinein und schaue, ob es Viola gut geht.
    Meine nächste Erinnerung beginnt, als sie mich Stunden später aufweckt. Ich bin völlig verwirrt, bis ich sie sagen höre: »Lärm, Todd, ich höre Lärm.«
    Ich bin auf den Beinen, noch ehe ich richtig wach bin, um Viola zu beruhigen und einen erschöpften Manchee, der seinen Unmut laut herausbellt. Dann lausche ich in die Nacht.
    Flüster flüster flüster höre ich wie ein Lüftchen, flüster flüster , ohne Worte, weit entfernt, doch schwebend, wie eine Sturmwolke hinter einem Berg: flüster flüster flüster .
    »Wir müssen gehen«, sage ich und schnappe mir den Rucksack.
    »Ist das die Armee?«, fragt Viola und greift nach ihrer Tasche.
    »Armee!«, bellt Manchee.
    »Keine Ahnung«, antworte ich. »Schon möglich.«
    »Könnte es nicht auch von der nächsten Siedlung kommen ?« Viola tritt zu mir, die Tasche über der Schulter. »Sie kann nicht mehr allzu weit entfernt sein.«
    »Weshalb haben wir dann nichts gehört, als wir hierhergekommen sind?«
    Sie beißt sich auf die Lippe. »Verdammt.«
    »Genau«, sage ich. »Verdammt.«
    Und so vergeht die zweite Nacht nach unserem Aufbruch von Farbranch so wie die erste, wir laufen durch die Dunkelheit, knipsen unsere Taschenlampe an, wenn wir sie brauchen, versuchen an nichts zu denken. Unmittelbar vor Sonnenaufgang verlässt der Fluss die Ebene und fließt durch ein kleines Tal wie das in Farbranch, ganz sicher liegt dort Blazing Beacon oder wie immer es auch heißt, vielleicht wohnen dort tatsächlich Menschen.
    Hier gibt es Obstgärten und Weizenfelder, aber sie sind weniger gepflegt als die bei Farbranch. Zu unserem Glück liegt der Ort auf dem Gipfel eines kleinen Bergs, und eine Straße, wie es aussieht, sogar eine größere, verläuft mitten hindurch, vielleicht ist es ja die linke Weggabelung, die hierherführt. Fünf, sechs Häuser stehen dort, die meisten von ihnen könnten etwas Farbe vertragen. Weiter unten, dort, wo unser staubiger Weg am Fluss entlang verläuft, sind nur ein paar Boote, wurmzerfressene Stege und Bootshäuser und was man sonst noch an einem Flussufer baut.
    Wir können niemanden um Hilfe bitten. Und selbst wenn man uns helfen würde, käme die Armee trotzdem hinter uns her. Wir sollten die Bewohner des Ortes warnen, doch was, wenn hier mehr Matthew Lyles wohnen als Hildys? Was, wenn wir sie warnen und so erst die Armee hierherlocken, weil man uns in jedermanns Lärm hört? Was, wenn die Siedler wissen, dass die Armee unseretwegen kommt, und beschließen, uns ausliefern?
    Aber man muss sie doch warnen, oder nicht?
    Aber was, wenn wir uns selbst damit in Gefahr bringen? Siehst du, wie soll man da die richtige Antwort kennen! Also schleichen wir wie Diebe weiter, laufen von einemBootshaus zum nächsten, verstecken uns, damit man uns vom Dorf aus nicht sieht, verharren so still wie möglich, als wir eine dürre Frau sehen, die einen Korb in ein Hühnerhaus trägt, das auf dem Hügel neben ein paar Bäumen steht. Die Siedlung ist so klein, dass wir sie durchquert und auf der anderen Seite wieder verlassen haben, noch ehe die Sonne richtig aufgegangen ist. Wir sind wieder auf unserem Weg, als hätte es gar keine Siedlung gegeben, als wäre dies alles nicht wahr, nicht einmal wir selbst können es glauben.
    »Das also ist die Siedlung«, flüstert Viola, als wir uns umdrehen und die Häuser hinter einer Biegung verschwinden sehen. »Wir werden nie erfahren, wie sie heißt.«
    »Ab jetzt wissen wir wirklich nicht mehr, was vor uns liegt«, flüstere ich zurück.
    »Wir gehen einfach weiter, bis wir in Haven sind.« »Und dann?«
    Sie antwortet nicht auf meine Frage.
    »Wir legen viel Zuversicht in ein einziges Wort«, sage ich. »Dort muss es etwas geben, Todd«, sagt sie mit ernster Miene. »Irgendetwas muss dort sein.«
    Ich schweige einen Augenblick, bevor ich antworte: »Wir werden es sicher erfahren.«
    Und so

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