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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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die Albträume vorüber sein?
    Frau aus dem Grand mordet wieder. Weiterer Ritualmord in Västervik.
    Wie lange geht das schon so?»
    Es war ausnahmsweise ihr Vater, der mit ihr sprach. Sibylla schluckte. Der Tisch vor ihr wogte noch immer.
    «Was denn?»
    Beatrice Forsenström schnaubte.
    «Stell dich nicht dumm, Sibylla. Du weißt genau, was wir meinen.»
    Sibylla wusste es. Irgendjemand hatte sie in Mickes Auto gesehen.
    «Wir haben uns im Frühjahr kennen gelernt.»
    Ihre Eltern blickten sich über den Tisch hinweg an. Es sah aus, als ob zwischen ihnen elastische Drähte gespannt wären.
    «Wie heißt er.» Wieder war es ihr Vater, der fragte.
    «Mikael. Mikael Perrson.»
    «Kennen wir seine Eltern?»
    «Ich glaube nicht. Sie wohnen in Värnamo.»
    Es war ein Weilchen still. Sibylla versuchte in diesem Augenblick Ruhe zu finden.
    «Wovon lebt er hier in Hultaryd? Ich nehme doch an, dass er eine Arbeit hat.»
    Sibylla nickte. «Er ist Automechaniker. Er weiß alles über Autos.»
    «Aha, sag an.»
    Ihre Eltern sahen sich wieder an. Immer mehr Drähte spannten sich zwischen ihnen. Schwingende grüne und rote Drähte. Die Eltern hatten jetzt keine Gesichter mehr. Sibylla senkte den Blick und sah auf den Tisch.
    «Wir möchten nicht, dass unsere Tochter mit Straßenkreuzern fährt.»
    Es ist ein De Soto Firedome neunundfünfzig.
    «Und überhaupt möchten wir nicht, dass du in diesen Kreisen verkehrst.»
    Ihr Kopf fühlte sich wie ein Bleiklumpen an. Er kippte zur Seite und sie konnte ihn nicht mehr aufrichten.
    «Das sind meine Freunde.»
    «Sitz ordentlich, wenn wir mit dir sprechen!»
    Ihr Kopf schnellte automatisch in die Höhe, aber ihr Hals vermochte ihn nicht aufrecht zu halten. Er fiel nach hinten und schlug gegen die hohe Rückenlehne des Stuhls.
    «Was ist mit dir? Sibylla! Was machst du denn?»
    Ihre Mutter hatte sich vom Stuhl erhoben, und Sibylla sah aus den Augenwinkeln, dass sie sich näherte. Ihr Kopf saß an der Rückenlehne fest. Dann, in dem Augenblick, als ihre Mutter bei ihr war, merkte sie, wie er auf die Seite glitt und ihr Körper ihm auf den Boden folgte.
    «Sibylla. Wie geht es dir, Sibylla?»
    Es war weich, wo sie lag, und es war die Stimme ihrer Mutter, die im Zimmer zu hören war. Etwas Kaltes und Nasses lag auf ihrer Stirn und Sibylla öffnete die Augen. Sie lag auf ihrem Bett und ihre Mutter saß auf der Bettkante. Ihr Vater stand mitten im Zimmer.
    «Herzchen, wie hast du uns erschreckt!»
    Sibylla sah ihre Mutter an.
    «Verzeiht.»
    «Wir sprechen später darüber.»
    Henry Forsenström trat ans Bett.
    «Wie fiihlst du dich? Soll ich Doktor Wallgren rufen?»
    Sibylla schüttelte den Kopf. Ihr Vater bestätigte ihre Antwort mit einem Nicken und verließ das Zimmer. Sibylla sah ihre Mutter an.
    «Ich meine, verzeiht, dass ich ohnmächtig geworden bin.»
    Beatrice nahm ihr das nasse Taschentuch von der Stirn.
    «Dagegen kann man nichts machen, Sibylla. Dafür braucht man sich nicht zu entschuldigen. Was jedoch die andere Sache betrifft, über die wir gesprochen haben, da wird getan, was Vater und ich beschlossen haben. Du gehst nicht mehr dorthin.»
    Sibylla merkte, dass sie den Tränen nahe war.
    «Bitte, Mutter.»
    «Es hat keinen Zweck, eine Szene zu machen. Es ist zu deinem Besten, das weißt du.»
    «Aber das sind meine einzigen Freunde.»
    Die Mutter straffte den Rücken. Sibylla merkte, dass sie sich der Geduldsgrenze ihrer Mutter näherte. Die Diskussion war nun beendet.
    Genau wie alles andere.
    Eine lange, ungestörte Dusche war normalerweise eine Trumpfkarte, wenn es die Lebenslust wiederzugewinnen galt.
    Diesmal half es nicht die Bohne.
    Als Sibylla aus der Dusche stieg und sich abtrocknete, fühlte sie sich noch verzagter als zuvor. Als ob die Hoffnung mit dem Abwasser weggeschwemmt worden wäre.
    Sie wand die gewaschenen Unterhosen aus und ging in die Waschküche auf der anderen Seite des Kellerflurs. Der Schlüssel passte auch dort. Während Unterhosen und Handtuch im Trockner waren, schloss sie sich wieder im Duschraum ein, um sich an ihre neue Frisur zu machen.
    Das schulterlange Haar fiel zu Boden. Hinten im Nacken war es mühsam zu schneiden, und je mehr sie abschnitt, umso bewusster wurde ihr, dass es schwierig würde, sich künftig kostenlose Hotelnächte zu erflirten.
    Aber diese Möglichkeit war ihr ja ohnehin genommen.
    Sie befolgte gewissenhaft die beigefügte Gebrauchsanweisung und färbte ihre übrig gebliebenen Strähnen schwarz. Als sie fertig war, sah sie wie

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