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Die Flüchtlinge des roten Mondes

Die Flüchtlinge des roten Mondes

Titel: Die Flüchtlinge des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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geduldig auf seinen Fehler hinwies, antwortete er spöttisch und sarkastisch. Manchmal fragte sich Dane verzweifelt, ob der Junge sich einen Tritt oder einen Schlag wünschte. Er fragte sich sogar, ob es nicht eine gute Idee sei, dem Jungen eine Abreibung zu verpassen, nur ein einziges Mal, damit er Danes formelle Autorität anerkannte. Wenn das ein Teil der kulturbedingten Erwartungshaltung des Jungen war, nämlich, daß er sich nur dem stärksten Tier der Meute unterwarf, müßte Dane es ihm seiner Meinung nach klarmachen, daß er das stärkste Tier war. Wenn Joda es für Schwachheit hielt, wenn ihm Dane nicht den Hals brach …
    Doch am Ende stand die Überzeugung: Wenn er einmal Gewalt ausübte, würde er lediglich Jodas ständige Erwartung von Grausamkeit verstärken, und das machte Dane sanft und geduldig und leise. Das – und das beschämende Wissen, es würde ihm Vergnügen bereiten, den Jungen grün und blau zu schlagen. Wenn er dem Jungen wirklich eine verpaßte, wie es Joda erwartete, würde er es nicht tun, um dem Jungen eine Lektion zu erteilen, sondern um sein eigenes verletztes Selbstwertgefühl wiederaufzurichten. Daher hielt Dane sich zurück, hielt seine Stimme unter Kontrolle, war ruhig und weigerte sich, dem Sarkasmus sarkastisch zu begegnen. Es war eine der schwersten Aufgaben seines Lebens.
    Aber er hielt sich unter Kontrolle und merkte, daß es mindestens einen guten Nebeneffekt hatte. Er lernte wirklich etwas von dem Jungen, nämlich den belsarischen Stil, und das würde ihm wahrscheinlich irgendwann zugute kommen.
    Falls sie wirklich jemals irgend etwas anderes zu tun bekämen, als herumzulungern und ein Haus zu bewachen, das es nicht nötig hatte, bewacht zu werden, während Dravash und Aratak sich ihrem Liebesleben widmeten.
    Hin und wieder zeigten Blicke oder ein Wort von Joda den Beginn eines gesunden Respekts. Das wunderte Dane nicht allzusehr, denn er hatte aus kurzen Sätzen, die er auf dem Marktplatz aufgeschnappt hatte, gemerkt, daß er das genoß, was man auf der Erde einen guten Ruf genannt hätte.
    Die Zahl der Banditen, die er bei dem Angriff getötet haben sollte, überstieg jetzt schon die Zahl der ganzen Bande, und die Geschichte seines plötzlichen Erscheinens vor der Karawane war das einzige bekannte Ereignis, bei dem Rashas einmal in Rudeln angegriffen hatten.
    Dane amüsierte dies alles, denn er wußte, daß Joda, der ihm zu Hause trotzig gegenüber trat und der sich hauptsächlich mißmutig und ablehnend ihm gegenüber verhielt, den Status durchaus genoß, im gleichen Haus mit dem Kämpfer aus Raife und seiner Speermeisterin zu leben. Rianna genoß ihren eigenen Ruf, den unter seinen Stammesangehörigen zu verbreiten sich Joda einige Mühe gab. Der brutale Scherz von Jodas Vater hatte danebengetroffen. Er wurde nicht als Pflegesohn einer Frau lächerlich gemacht, sondern mit Ehrfurcht betrachtet, weil er das Glück gehabt hatte, von der ‚Speerfrau aus Raife’ angenommen worden zu sein. Und der Junge nutzte das weidlich aus.
    Nachts ging Joda oft in den Hof, um die Sterne anzublicken. Er tat es nun offen, ohne die Geheimniskrämerei, die er unter seinen Leuten üben mußte, und manchmal kam Rianna mit ihm. Sie hatte noch das kleine zusammensteckbare Teleskop, das Aratak auf dem Stützpunkt des Bundes gefunden hatte, und sie zeigte dem Jungen, wie man hindurchblickte. In der neunten Nacht von Dravashs und Arataks Abwesenheit war sie draußen mit Joda und zeigte ihm, wie man es aufstellte und einstellte. Es war das erste Mal im Leben von Joda, daß er sich unter Leuten bewegte, die keine Angst vor Sternen hatten und die Sternguckerei nicht als gefährliche, unheilvolle und möglicherweise unmoralische Perversion ansahen. Er hatte Dutzende von Theorien über die dichtgesäten Sterne in den Haufen entwickelt.
    „Dieser da“, sagte er zu Rianna, während sie auf einen riesigen blauweißen Stern blickten, der größer als die Venus war, „den nenne ich Feuerbringerin, weil sie dort die Blitze zwischen den Gewittern aufbewahren. In der Nacht nach einem Sturm verbirgt sich Feuerbringerin hinter Wolken, so daß man ihren Rock aus Blitzen reparieren kann. Und wenn dann wieder ein Sturm kommt, schüttelt sie ihre Schürze über dem Himmel aus, und Blitze fallen aus ihrem Halsband.“
    Dane blickte Rianna an. Mit einer solchen Vorstellungskraft war es für den Jungen wirklich schade, in einer Kultur eingeschlossen zu sein, wo es für Männer keine andere Karriere als die des

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