Die Flüchtlinge des roten Mondes
sagte Dravash. „Wir müssen ein Lager bereiten. Niemand wird uns folgen, wenn die Sternendämonen frei sind – so ist uns der Aberglaube schließlich doch noch nützlich.“
Hier und da stießen silberne Säulen von Sternenlicht durch die Dunkelheit des Dschungels. Auf eine dieser Lichtungen führte sie Dravash. Ein Windzug ließ die Blätter rascheln, und Dane merkte, daß er zitterte. Bei Anbruch der Dunkelheit verschwand die Hitze, und auf seinem frierenden Körper wurde der Schweiß feuchtkalt. Seine Beine schmerzten vom Laufen, und sein Kopf war immer noch wund und verwirrt von Meister Prithvais Hieb.
Immerhin ist Prithvais Kopf in einem schlimmeren Zustand als meiner …
Er konnte sich kaum daran erinnern, wie sie aus der Stadt gelangt waren. Nebelhafte Erinnerungen an den Lauf durch einen endlosen Schleier gazebedeckter Straßen, an anscheinend stundenlanges Verstecken in einem dichten, üppigen Garten übelriechender Pflanzen, an einen alptraumartigen Kampf, als Aratak irgendwo ein Tor aufdrückte, an Wachen, die wütend hinter ihnen ein Tor zuwarfen, anstatt sie in die Nacht zu verfolgen, die jenseits der sicheren Stadtmauern von Rashas und Sternendämonen heimgesucht wurde …
In der Dunkelheit traf ein Feuerstein auf Stahl, und Dravashs Gesicht zuckte in der kleinen Flamme auf. Er baute ein Feuer aus Blättern und kleinen Zweigen, während Dane sich fragte, ob ein Feuer wirklich eine gute Idee war. Es würde nur die Verfolgung auf sie lenken oder schlimmer, den Verfolgern am Morgen verraten, wo sie gelagert hatten. Dann heulte eine Rasha, und er fand, das Feuer habe doch sein Gutes.
Jäger. Fast erwartete er, das Scharlachrot des Jägermondes über den Bäumen aufgehen zu sehen … er mühte sich, seine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Das war vorbei. Wichtig war das Hier und Jetzt. Das einzige Gemeinsame der beiden Situationen bestand in der Gefahr.
Flammen schossen hoch und erleuchteten die Lichtung. Joda hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Rianna ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter, doch er wich entsetzt vor ihr zurück. „Was ist los, Zabav ?“
„Ich wußte, es war zu schön, um länger andauern zu können“, sagte der Junge aufgeregt. „Was los ist? Was habt ihr getan, daß der Anka’an-Orden euren Tod befehlen kann? Und du hast beim Kampf Meister Prithvai getötet. Was bist du? Ich bin noch nie so …“ Er hielt inne, schluckte, und als er wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme fest. „Einer von euch muß mir erzählen, worum es eigentlich geht“, sagte er.
„Morgen“, sagte Dravash bestimmt. „Denn jetzt ist Schlaf das einzige, was wir brauchen – oder zumindest mehr als alles andere.“ Vielleicht war lediglich die Gewohnheit, den Ersten Wesen zu gehorchen, der Grund; jedenfalls breitete Joda seine Decke aus, beobachtete jedoch Rianna immer noch angstvoll. Was werden wir ihm sagen ? fragte sich Dane . Wie kann Dravash damit rechnen, daß wir nach alledem, was geschehen ist, schlafen können? Er wußte, daß zumindest er viel zu aufgeregt war, um an Schlaf auch nur denken zu können. Er würde einfach nur die Augen schließen …
… und wurde durch den Schrei einer Rasha aus tiefem Schlaf gerissen. Er öffnete die Augen und sah das Tier in Dravashs Fängen kämpfen. Das schwere Messer des Sauriers sauste herab, und Dravash schleuderte den kopflosen Rumpf ins Unterholz, nahm den Kopf und warf ihn in die andere Richtung. Dane hörte gespenstische gurrende Laute und Schritte. Die Aasfresser stellten sich zum Frühstück ein. Er fragte sich, wie sie wohl aussehen mochten, entschied aber dann, er wolle es lieber nicht wissen.
Rianna lag, dicht an ihn gekuschelt, neben ihm, auf ihrer anderen Seite lag Joda, der heftig mit den Zähnen klapperte. Sie rollte von Dane fort, und er hörte sie im Dunkeln tröstende Worte murmeln und wußte, daß sie den Jungen in den Arm genommen und an sich gezogen hatte. Ärger wallte kurz in ihm auf. Heiliger Himmel, war er vielleicht eifersüchtig auf das Kind? Das war albern. Der Junge mußte nach alledem fast wahnsinnig vor Angst sein. Außerdem war er zu müde, um sich weiter Gedanken darüber zu machen. Wieder schloß er die Augen.
Als er sie dieses Mal wieder öffnete, dämmerte es schon, und die Sterne waren untergegangen. Aratak kauerte bei den verglimmenden Scheiten des Feuers. Dravash, eine langgestreckte, dunkle, verhüllte Gestalt, lag so dicht am Feuer, wie es nur möglich war, ohne die
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