Die Flüchtlinge des roten Mondes
jetzt war nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie stiegen bergan, und er benötigte alle seine Kraft und seinen Atem. Glasiger Stein, geschmolzen durch was auch immer für eine Katastrophe, – die gleiche wohl, die den Planeten mit Kratern überzogen hatte – erhob sich in riesigen, sanften Graten aus dem abbröckelnden Grund weicheren Gesteins wie Gips und Sandstein. Hier faßte der gierige Dschungel keinen Fuß, und Dane führte sie leichtfüßig mehrere Stunden lang über den harten Boden.
Als sie schließlich über die Spitze eines kleinen Gipfels stiegen, sah er aus dem Augenwinkel in der Ferne eine Bewegung. Er winkte die anderen zurück und kletterte hinauf, wobei er sich flach gegen den glasigen grünen Stein preßte. Kaum eine Viertelmeile entfernt zog eine kleine Menschengruppe langsam durch den Busch. Sie hatten sich verteilt wie bei einer Jagd. Die Speerspitzen blitzten in der Sonne, die jetzt senkrecht am Himmel stand. Unter ihnen waren mehrere Gestalten in der blauen Tunika des Anka’an-Ordens.
Dane griff hinter sich und flüsterte Rianna zu, ihm das Teleskop zu reichen, das sie in dem verlassenen Stützpunkt gefunden hatten. Einen Moment lang war er besorgt, ob sie es für Jodas Sternguckerlektion mit nach draußen genommen und dort vergessen hatte. Dann legte sie es ihm in die Hand. Er beäugte das Instrument und starrte hindurch in das dichte Blattwerk.
Plötzlich erschien ein deutliches Gesicht vor der Linse. Meister Rhomda!
Dane spürte den plötzlichen Impuls, sich fallen zu lassen und zu verstecken. Durch das Teleskop erschien es ihm, als müßten die ruhigen, dunklen Augen ihn sehen, doch der Speermeister wandte sich ruhig ab. Dane sah sich die Gruppe an. Es gab mindestens fünf Männer in blauer Tunika und vielleicht fünfzig andere, und sie bewegten sich sehr systematisch durch das Unterholz und suchten jeden Busch mit dem Speer ab.
Hatte man sie eilig zusammengerufen, um die flüchtenden Sternendämonen zu verfolgen? Oder waren sie lediglich auf der Jagd nach dem geheimnisvollen weißen Sternenmonster, von dem Dane in der Schenke gehört hatte? Dane wollte es nicht herausfinden.
Rasch überprüfte er das Gebiet mit dem Fernrohr, wobei er sich auf den Lauf eines kleinen Stroms konzentrierte, der nicht weit von ihnen entfernt am Fuß eines Hügels entlangfloß. Bis zu seinem Ufer gab es einen guten Weg mit Felsenboden, doch sie würden für die Männer unterhalb von ihnen deutlich sichtbar sein.
Doch ein wenig flußabwärts bog der Fluß in weitem Bogen über Felsen und Gebüsch scharf auf sie zu. Einige Bäume, die von Ranken bewachsen waren, schirmten sie ab. Dane merkte sich einen Felsenpfad, der in diese Richtung verlief.
Diese Gegend begann, unerträglich zu werden. Dane krabbelte zurück zum Hang, gab Rianna das Teleskop und erklärte flüsternd Dravash die Situation. Sie machten sich rasch auf den Weg zurück zu dem Felsenpfad, der sie zum Fluß führte. An einer bestimmten Stelle ließ er sie, von Felsen zu Felsen springend, eine Fläche aus weichem Torfboden überqueren, wobei er froh war, daß sie, abgesehen von Joda, alle aus Welten mit stärkerer Schwerkraft stammten – und der Junge war jung und leicht. Sie erreichten den Fluß, ohne eine einzige Spur oder einen abgebrochenen Zweig hinterlassen zu haben. Dane sprang ins Wasser, und die anderen folgten ihm am Ufer entlang, wo das Wasser flach war. Doch Dravash und Aratak gingen bis zur Mitte des Flusses, wo das Wasser zu tief war für die Menschen. Dravash watete aufrecht weiter und duckte sich unter den herabhängenden Zweigen. Aratak hingegen glitt unter Wasser, schwamm leise voraus und erkundete den Stromverlauf.
Dane war in Gedanken versunken. Wenn ihnen die Verfolger nicht bereits anhand der Spuren ins Gebirge folgten, würden sie es über kurz oder lang tun. Auch wenn Meister Rhomda nichts von ihrer Flucht aus der Stadt gehört hatte und auf der Jagd nach dem Sternenmonster mit sechs Beinen war, würden er und seine Leute ihre Aufmerksamkeit ebenfalls bald auf die leichter zu verfolgende Gruppe von Sternendämonen richten. Wenn die Verfolger die Berge nach ihnen absuchten, sollten sie selbst sich besser in Tälern aufhalten, doch dort war der Dschungel dicht, und sie konnten ihre Spur nicht verbergen.
Doch würden die Verfolger sie auch auf der anderen Seite des Flusses suchen?
In jener Nacht überquerten sie den Fluß. Rianna und Joda hielten sich an Aratak, als sie durch die heftige Strömung
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