Die Flüchtlinge des roten Mondes
Kopf.
„Durchaus nicht. Die Rashas sind das einzige Gegengewicht gegen protosimianische Überbevölkerung und Nahrungsmangel – andernfalls zerstören sie mit ihren Dörfern den Dschungel und damit das ökologische Gleichgewicht.“
Dane war das egal. Er tötete weiter so viele er konnte. Als die Gegend unwirtlicher wurde, hörten sie vor sich einen Ton, der stärker wurde. Zuerst war es lediglich ein unterschwelliges Summen, das in der Mittagszeit vom Surren der Insekten übertönt wurde, doch es wurde jeden Tag stärker und übertönte bald alle anderen Geräusche des Waldes, ein tiefes Gemurmel, das niemals aufhörte: Die Donnerfälle.
Knackeulen flogen auf, wenn sich die Reisenden näherten. Bei dem Tosen des Wasserfalls waren ihre Rufe nicht mehr hörbar. Über den zunehmenden Lärm hinweg vernahm man schwach eine Reihe von Schreien. Rianna deutete hinauf in die Wipfel, und sie sahen einen großen Halbaffen wild zwischen zwei Bäumen hin und her springen. Er ergriff das Ende eines belaubten Zweiges, schwang sich weiter hoch, schien emporzuspringen, wenn seine Füße einen Ast berührten, und tobte von einem wild schwankenden Zweig zum nächsten.
Bei den Bäumen, die er hinter sich ließ, zitterten die Kronen. Unter dem Gewicht der Rasha, die hinter dem Affen her durch die Bäume schoß, bebten die Aste. Dane folgte dem fliehenden Affen und der nachsetzenden Katze mit den Augen, während sie durch das Laub tobten. Dann senkte er den Blick, und sie gingen weiter.
Besser er als ich .
Vor ihnen öffnete sich die Erde. Nach ein paar hundert Metern endete die Welt, Dschungel wie Boden. Der Himmel war von einem grün-lila Vorhang verhängt, unterhalb dessen die Wand der Wolken im Sonnenuntergang stand. Kaum vernahm Dane wegen des ohrenbetäubenden Tosens Riannas erstauntes Luftholen.
Seine Augen gewöhnten sich an den Anblick, entdeckten die rot-orangefarbenen Felsen, die von dem Schleier halbverdeckt waren. Über ihnen erstreckte sich meilenweit flacher, dichter Dschungel bis zum Horizont. Alles wirkte fern, in zarten Pastelltönen gemalt. Wie ein an den Himmel gemaltes Wunder.
Das Göttliche Ei sagt … Arataks Stimme brummte in Danes Kehlscheibe. In seiner Aufregung vergaß er, Kharam zu sprechen, und Dane war zu angerührt, um ihn darauf aufmerksam zu machen. Außerdem übertönte ihn das Tosen der Fälle … . daß das Nachdenken über die Wunder des Universums eine Seele zum Wachsen bringt. Gedanken über dieses Wunder haben sicherlich einigen Seelen dieser Welt große Weisheit gebracht …
Die Stimme in dem Apparat verebbte zu hingerissenem Schweigen.
Unvermittelt brachen die Donnerfälle zu ihrer Linken durch den Busch, ein riesiger Silbervorhang aus Wasser.
Der Niagara, der sich in den Grand Canyon ergießt, dachte Dane. Nein, größer als der Niagara. Was ist in Amerika von vergleichbarer Größe?
Der Dschungel war hier weniger dicht. Sie standen am Rand einer großen Leere. Aus der Schlucht wehten heftige Windstöße, gekühlt von Wassertröpfchen. Die Mündung des Flusses hatte ein tiefes Loch in die Schluchtwand gebissen. Der Wind trug ihnen das ungeheuere Tosen der Wasser zu. Zu ihren Füßen senkte sich der Sandsteinboden nach unten ab. Auf halber Höhe unter ihnen blinkten sie glasige Felsen an, und weiter unten fiel dunklerer Felsen bis zum Boden der Schlucht ab.
In halber Höhe der Fälle spritzte das Wasser wild hoch, prallte von zersplitterten Kristallfelsen ab und bildete einen vielfarbigen Regenbogen. Dann ergoß es sich in den tiefen, brodelnden See am Grund der Schlucht. Aus der wilden Fontäne floß ein Fluß in die Mitte des Tales, wo der Nebel den Fluß unsichtbar machte.
Danes Kehlscheibe vibrierte von Dravashs Stimme.
„Hier könnte ein Weg nach unten führen.“ Der Sh’fejj machte eine Bewegung. „Vielleicht können wir hier herabsteigen.“ Besorgt ruhte sein Blick auf Aratak. Er überblickte die unter ihnen liegenden Felsen, rief Rianna zu, sie solle das Teleskop bringen, und besah sich eingehend die Klippen. Dann wandte er sich Dane zu: „Ich kann ihn hinunterbringen. Es gibt Vorsprünge und Felsabschnitte da unten, wo man sogar ein Kriechtier herablassen könnte, wenn die Kanten nicht zu scharf sind.“
Aratak blickte düster hinab in den Schlund.
„Das Göttliche Ei hat uns klugerweise gesagt, daß es leichter ist, zu sinken als zu schwimmen“, bemerkte er, „aber ich weiß nicht, ob das gleiche auch auf das Hinauf- und Hinabsteigen von Bergen zutrifft.
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