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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Entsetzen daran auch noch Gefallen zu finden schien. Jason und Mish hatten Tabor nach dem Feuer zu sich genommen, Quilla hatte ihn gepflegt, Jes hatte ihn unterhalten, und Laur hatte ihn gefüttert. Obwohl Hart niemals dazu in der Lage gewesen wäre, seinen Widerwillen in Worte zu kleiden, repräsentierte Tabor für ihn alles, was er an den Flüchtlingen haßte: Sie hatten ihn entwurzelt, seinen Lebensrhythmus verändert und seine Welt vereinnahmt. Hart bewegte sich hinter den Buschreihen entlang den Hügel hinab und hielt nach Laur Ausschau. Zumindest an diesem Nachmittag mußte sie allein sein.
    Er fand sie im Stall, jenem Gebäude, daß Laur nur betrat, wenn sie es nicht umgehen konnte. Sie stand im Heu, hielt irgendein langes Laken in der Hand und legte es mit Hilfe der Frau mit den Holowürfeln zusammen.
    „Nun, ich kann auch nicht gerade sagen, daß es meine Billigung findet“, sagte Laur. Ihr steifes, schwarzes Gewand knisterte, als sie sich bückte, um einen Lakenzipfel aufzunehmen. Mish hatte einst gesagt, Laur sei dermaßen respekteinflößend, daß es einem direkt Zahnschmerzen verursachte, erinnerte sich Hart. Dieser Satz war ebenso fest in seiner Erinnerung verankert, wie das ständige Knistern ihrer Kleider. Hart strich sich über das Kinn und trat ein.
    „Die Kinder sollten zwar ruhig auf den Feldern arbeiten“, fuhr Laur fort, „aber eine Schulausbildung könnte ihnen auch nicht schaden.“
    „Man sollte Abendkurse veranstalten“, sagte die andere Frau. „Für die etwas älteren, meine ich. Die Kleineren könnten tagsüber unterrichtet werden; da hat man sie auch besser unter Kontrolle.“
    „Aber wir haben nur einen Lehrer“, sagte Laur seufzend. „Es würde eine Menge Schwierigkeiten geben, wenn man sowohl tagsüber als auch nachts Unterrichtsstunden abhielte.“
    „Schwierigkeiten haben wir schon jetzt genug“, stimmte die andere Frau ihr zu. „Ich hätte niemals erwartet, in ein solches Durcheinander hineinzugeraten.“
    „Nun, was das Feuer und all das angeht …“
    „Das meine ich gar nicht. Nach allem anderen war das doch eher ein kleiner Zwischenfall.“
    „Immerhin hätte die ganze Ortschaft abbrennen können“, sagte Laur. „Von einem kleinen Zwischenfall würde ich deswegen nicht reden.“
    „Nein, natürlich nicht“, sagte die andere Frau einlenkend. Sie gingen aufeinander zu und hielten das Laken fest, bis sie sich auf halber Strecke trafen. Dann falteten sie es zusammen und legten es beiseite. Anschließend wiederholte sich die ganze Prozedur wieder von neuem.
    „Ich glaube immer noch, daß es die Kassies waren“, sagte die Frau mit den Holowürfeln leise, aber Laur schüttelte ablehnend den Kopf.
    „Sie sind wie Kinder“, sagte sie. „Sie sind abergläubisch. Man kann sich nicht auf sie verlassen. Manchmal kommen sie zur Arbeit und dann wieder nicht. Aber in einem gewissen Sinn sind immer genug von ihnen in der Nähe. Es sind nur Bestimmte, die kommen und wieder gehen, müssen Sie wissen. Wenn man einem von ihnen etwas beigebracht hat, besteht die nächste Erfahrung darin, daß er nicht wiederkommt. Dann geht das gleiche Spiel mit anderen wieder von vorne los. Aber sie würden niemals jemandem weh tun. Als Jes noch klein war, war er einmal einen ganzen Tag lang verschwunden. Ich bin beinahe vor Angst wahnsinnig geworden, aber an diesem Abend …“
    „Ich habe Hunger, Laur“, sagte Hart mit lauter Stimme. „Ich möchte was zu essen haben.“
    „Oh, frag doch die Köchinnen, Hart. Nun geh schon, ich habe noch zu tun.“
    „Aber ich möchte, daß du mir etwas machst“, sagte Hart stur. Laur ließ das Laken mit einer Hand los und legte sie auf seine Schulter.
    „Nun geh schon, Junge. Du bringst mich ganz durcheinander. Nimm dir was aus der Küche und geh zur Schule zurück, ja? Du wirst sonst zu spät kommen. Du hältst einen aber wirklich in ständiger Bewegung. Diese Kinder …“
    Hart zog sich zurück, verließ aber nicht den Stall. Anstatt Laurs Worten zu folgen, schlich er an den arbeitenden Frauen vorbei und verschwand in ihrer Nähe im Heu. Von hier aus konnte er sie immer noch hören.
    „… Er hatte lediglich den ganzen Tag in ihrem Dorf verbracht, und als es Abend wurde, brachten sie ihn zurück. Dafür, daß sie Kassies sind, hatten sie gut auf ihn achtgegeben. Sie verstanden bloß nicht, daß er eigentlich hätte zu Hause sein sollen. Sie können zwar nicht geradlinig denken, aber weh tun würden sie niemandem. Jedenfalls nicht mit

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