Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
deiner Privatkasse solche ungeheuren Summen einbrachte? Und warten soll ich, mich hier bis acht Uhr versteckt halten, um dann vielleicht aufs neue halsbrecherische Aufträge zu bekommen, aber kein Geld? Nein, mein Alterchen, da du so für dein eigenes Wohl gesorgt zu haben scheinst, so vergönne mir wenigstens ein gleiches. Mrs. Breidelford kann unmöglich schon von der uns drohenden Gefahr wissen, die will ich anzapfen. Das Zauberwort, das mich Blackfoot gelehrt hat, wird, wenn es das fast Unglaubliche vermögen soll, ihre Zunge zu hemmen, doch auch wohl ein paar hundert Dollar aus ihr herauspressen. – Die alte Hexe hat früher überdies genug durch meine Vermittlung verdient. Ans Werk denn; es kennt mich ja doch niemand hier in der Stadt als Daytons, und deren Wohnung kann ich vermeiden.«
Er verließ rasch das Haus und verschwand bald in dem sich immer mehr und mehr verdichtenden Nebel, der jetzt sogar selbst die vom Fluß am weitesten entfernten Straßen erfüllte.
Kapitel 23
Tom schritt ungeduldig in der Frontstreet auf und ab. Dem Richter hatte er versprechen müssen, auf ihn zu warten, und der kam jetzt nicht zurück. Seine Jolle befand sich zur Abfahrt bereit, dicht neben dem dort noch immer an der Ankertrosse liegenden Dampfboot Van Buren, das seine Schäden so weit ausgebessert hatte, um am nächsten Morgen um elf Uhr wieder abfahren zu können, und zweimal schon war er die vom Fluß abführende Walnutstreet in aller Ungeduld hinauf- und heruntergelaufen, und immer noch wollte sich der Squire nicht sehen lassen.
Der Abend brach dabei mehr und mehr herein, und Tom blieb plötzlich mitten in seinem Marsch stehen, stampfte ärgerlich mit dem Fuß und rief:
»Ei, so hole ihn der Henker! Ich gehe wieder zum Flusse hinunter, und läßt er dann noch nichts von sich sehen, dann fahre ich ohne seinen Wisch ab. Wetter noch einmal, der Konstabler in Viktoria muß mir überdies beistehen, wenn ich eine gerechte Sache vertrete, und wenn ich die nicht vertrete, kann mir auch die Empfehlung nichts helfen!«
Er schritt die Walnutstreet wieder hinab und bog eben scharf um die Frontstreet-Ecke, als ihm ganz unerwartet ein Mann entgegenkam, der, den Fremden kaum bemerkend, sein Taschentuch schnell vor das Gesicht hielt, als ob er Zahnschmerzen habe, und dann rasch, aber den Kopf gesenkt, an ihm vorbeischritt.
Nebel und Abenddämmerung vergönnten dem scheidenden Tageslicht nur noch einen schwachen Strahl. Dennoch genügte er dem Scharfblicke des jungen Mannes, in dem schnell verhüllten Antlitz des Fremden die Züge eines Mannes zu entdecken, die sich, außer ihren ganzen Eigentümlichkeiten, ihm auch noch mit einer Schärfe in Herz und Gedächtnis eingegraben hatten, die ein Vergessen unmöglich machten.
Es war Eduard Hawes – die blonden, flatternden Locken ließen ihm keinen Zweifel, wenn auch der grobe Farmersrock den für einen Augenblick erweckt haben mochte. – Es war der Mann, der ihn damals, als er in der Nähe der reizenden Marie Morris sein ganzes irdisches Glück zu finden glaubte und wirklich fand, aus all seinen süßen, seligen Träumen riß und wieder in die kalte Welt hinausstieß. Ach, Marie hatte ja nicht einmal geahnt, mit welcher Glut und Leidenschaft der rauhe Jäger an ihr hing! – Wie einen Bruder hatte sie ihn geliebt, und als Hawes mit Reichtum, Schönheit und seinem dem einfachen Kinde imponierenden Geiste dazwischentrat, reichte sie ihm, des Schrittes kaum bewußt, den sie tat, die Hand. Erst als Tom jetzt in Verzweiflung floh und sie beim Abschied seinen tiefen, kaum bezwungenen Schmerz erkannte, mochte ihr eine Ahnung seiner Gefühle dämmern. Da war es aber zu spät; – schon am anderen Tage legte der alte Friedensrichter Morris, der Onkel der Braut, der Tom Barnwell wie einen Sohn liebte und der auch auf dessen Verbindung mit seiner Nichte schon als auf den Trost seines Alters gehofft hatte, die Hände der beiden Verlobten ineinander und drückte dann die weinende, zitternde Braut, selbst mit Tränen im Auge, an sein Herz.
Dieser Hawes, dessen Bild sich Tom Barnwells Seele mit unauslöschlichen Zügen eingeprägt hatte, stand plötzlich vor ihm, und das ganze Wesen und Benehmen des Mannes mußte in Tom den fast unwillkürlichen Gedanken erwecken, jener wollte nicht gesehen sein. Mit Blitzesschnelle stiegen da all die wirren und fürchterlichen Vermutungen wieder in ihm auf, die er, seit er Marie gefunden, oft hatte fast gewaltsam zurückdrängen müssen. Hawes hier, wo ein Brief
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