Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
– Es ist der letzte Handel, den du auf dieser Welt abschließt.«
Kapitel 10
Dicht hineingeschmiegt in den grünen Wald, wo die fleißige Hand des Menschen kaum der Urwaldvegetation ein freies Plätzchen abgewonnen hatte und die mächtigen, starr emporragenden Nachbarstämme immer noch so aussahen, als ob sie das kleinliche Treiben der Zivilisation unter sich nur eben duldeten und nicht übel Lust hätten, sich nächstens einmal in ganzer Länge und Gewichtigkeit selbst dorthin zu legen; da, wo zwar Menschen, sorgende, geschäftige Menschen, starke Männer und zarte Frauen wirkten und schafften und fröhlicher Kinderjubel von lieben, herzigen Mäulchen die heilige Ruhe der Wildnis unterbrach; wo der Haushahn morgens seinen schmetternden Gruß der Morgenröte entgegenschickte, wo die Schwalbe in besonders dazu angebrachten Kästen ihr Nest gebaut hatte und sich jetzt alle nur mögliche Mühe gab, die kleinen unbehilflichen Gelbschnäbel das Fliegen zu lehren, wo aber auch nachts noch der Wolf die Zäune umschlich und Panther oder Wildkatze das zahme Hausvieh oft in Angst und Schrecken setzte, wo der Hirsch nicht selten zwischen den weidenden Herden getroffen wurde und der Bär nur zu oft in stiller Abendstunde die Maisfelder besuchte: da stand ein für solche Umgebung gar stattliches und wirklich wohnlich eingerichtetes Doppelhaus. Es war von einem hohen, regelmäßigen Zaun umgeben und, wie es schien, mit allen den Bequemlichkeiten versehen, die man außerdem nur möglicher- und vernünftigerweise in solcher Wildnis beanspruchen konnte.
Vor diesem Hause saß auf einem erst frisch gefällten und hier zum Sitze hergerollten Stamme ein silberhaariger, aber noch rüstiger, lebensfrischer Greis, dessen gesundheitstrotzende Wangen und muntere, klare Augen wohl schon mehr als sechzigmal den Frühling hatten kommen und gehen sehen und doch noch keck und freudig in das schöne Leben hinausschauten. Sein Kopf war unbedeckt, und das schneeige Haar hing ihm in langen, glänzenden Locken bis auf den sonnengebräunten Nacken hinunter. Er trug einen pfeffer- und salzfarbenen wollenen Frack, ebensolche Beinkleider, eine baumwollene Weste und ein schneeweißes Hemd, hatte aber – bloße Füße, und nur dann und wann schienen ihn dort die ziemlich zahlreichen Moskitos zu belästigen. Mit dem rotseidenen Taschentuch, das er in der Hand hielt, um sich Wind und Kühlung zuzufächeln, schlug er wenigstens dann und wann einmal nach ihnen, ohne jedoch nur einen Blick hinabzuwerfen.
Nur wenige Schritte von ihm entfernt stand ein anderer, aber bedeutend jüngerer Mann und war eben eifrig beschäftigt, einen frisch erlegten Spießer abzustreifen. Das Tier war mit den Hinterläufen an einem Baum aufgehängt, und ein großer schwarzer Neufundländer mit weißer Brust und weißen Füßen und der braunen Zeichnung amerikanischer Bracken an den Lefzen und über den Augen hob klug und aufmerksam die treuen Augen zu ihm auf, als ob er nur Interesse an der Arbeit hätte und nicht seinem Herrn durch störendes Betteln zur Last fallen wollte.
Der junge Mann, dessen abgeworfenes ledernes Jagdhemd neben ihm am Boden lag, war ganz nach Art der westlichen Jäger gekleidet; die blonden, krausen Haare aber und das blaue Auge hätten ihn fast als einen Ausländer erscheinen lassen, wäre nicht in einem kleinen Lied, das er bei der Arbeit vor sich hinsummte, sein reines, nur mit dem leisen westlichen Dialekt gefärbtes Englisch Bürge seiner amerikanischen Abkunft und Erziehung gewesen. Es war William Cook, der Schwiegersohn des alten Lively, der erst vor wenigen Tagen vom Fourche la Fave hierher zu den Eltern seiner Frau gezogen war und nun im Sinne hatte, eine eigene, dicht an die seiner Schwiegereltern stoßende Farm urbar zu machen. Für den Augenblick aber, und bis sein noch zu errichtendes Haus stand, hielt er sich mit seiner kleinen Familie bei Livelys auf und bewohnte dort den linken Flügel jenes schon erwähnten Doppelgebäudes.
In der Tür erschien jetzt gerade eine allerliebste junge Frau, seine Frau, mit dem jüngsten Kinde auf dem Arm, zwei andere weißköpfige und rotbäckige kleine Burschen tummelten sich aber zwischen den abgehauenen Baumstümpfen des Hofraums umher und jagten bald bunten, flatternden Schmetterlingen nach, bald ärgerten sie den ernsten Haushahn, der mit höchst mißvergnügtem Gegacker und mächtig langen Schritten seinen kleinen unermüdlichen Quälgeistern zu entgehen suchte. Erst als er das unmöglich fand, flog er
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