Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
der Morgen schon seinen grauen Dämmerschein über die rauschenden Wipfel der Niederung ausgoß, ohne daß sie ihrem Ziele auch nur eine Handbreit nähergerückt wären.
Trotz Bills Beteuerung hatten sie nämlich noch einmal bachabwärts gesucht, freilich ohne auch nur das mindeste Zeichen von einem Boot zu finden, und sie mußten sich nun eingestehen, daß stromauf noch die einzige Möglichkeit lag, den Flüchtling einzuholen.
»Es bleibt uns nichts weiter übrig«, sagte Cook endlich unmutig, »als noch einmal in die Hügel zu steigen. Es wird jetzt hell, und wer weiß, ob der Bursche nicht doch vielleicht in der Dunkelheit seine Fährte irgendwo so hinterlassen hat, daß wir sie bei Tageslicht erkennen und dann natürlich verfolgen können. Du, Bill, kannst die Pferde bis zu dem zweiten Hügeleinschnitt nehmen. Reite nur voran und warte dort, wo wir vorgestern den Birnbaum fällten. Brauchen wir sie eher, was ich von Herzen wünschen will, so blase ich das Horn. Finden wir aber ihre Spuren bis dorthin nicht, so bleibt uns nichts anderes übrig, als verschiedene Richtungen einzuschlagen, um die Nachbarn von dem Geschehen in Kenntnis zu setzen und dann vereint eine richtige Treibjagd anzustellen. Gefangen muß und soll der Bursche werden; denn einem Hinterwäldler in die eigene Wohnung einzubrechen und seine Waffen zu stehlen, das ist ein Vergehen, das schon seiner unerhörten Frechheit wegen exemplarische Strafe verdient.«
So großen Eifer nun auch die Jäger bei dieser Verfolgung zeigten, so unbehaglich schien sich Sander dabei zu fühlen, und da er ja auch mit seiner Kleidung gar nicht auf den Wald eingerichtet war, wäre er sicherlich zurückgeblieben, hätte ihn nicht die Furcht angetrieben, jener Flüchtling könne mit zur Insel gehören und bei seiner Gefangennahme vielleicht Sachen gestehen, die für sie von verderblichster Folge sein mußten. War er gegenwärtig, so konnte er ein Geständnis entweder verhindern oder doch die Folgen ablenken und möglicherweise auch die Flucht des Diebes, wer es immer sein mochte, begünstigen.
Kapitel 13
Die Männer schritten jetzt vorsichtig am Bach hinauf; der alte Lively und Cook mit Bohs am westlichen oder linken Ufer, und James und Sander am östlichen, den Bergen am nächsten. Bohs schien übrigens jeden Gedanken an Jagd aufgegeben zu haben. Immer wieder wurde er von neuem angetrieben, Fährten und Spuren zu suchen, kleinere Wildfährten vielleicht ausgenommen, die er ohnehin gründlich verachtete – doch in einer Gegend, in der sich größeres Wild nie aufhielt, hatte er jede Lust an der Sache verloren, ließ den Schwanz hängen und schlenderte verdrossen hinterdrein.
»Auf den Hund dürfen wir nicht weiter rechnen«, sagte endlich Sander zu James, als sie mehrere hundert Schritte über starre Felsblöcke hinweggeklettert waren und nun von einer etwas vorragenden Bergspitze zu den beiden anderen Männern und Bohs hinüberblickten; – »er sieht gerade so aus, als ob er eben einschlafen wollte.«
»Laßt uns nur das mindeste Verdächtige finden«, erwiderte James, »und er ist wieder Feuer und Flamme. – Mit uns Menschen ist es ja auch so. Bei erfolgloser Jagd werden wir müde und matt und haben in demselben Augenblick jedes Gefühl von Schwäche vergessen, wenn wir nur das Laub rascheln hören oder gewisse Anzeichen für die Nähe der ersehnten Beute finden; – das ist mir ja schon tausendmal selber begegnet.«
»Ich begreife aber wirklich nicht, wo wir etwas Verdächtiges finden sollen«, brummte Sander. »Hier könnte eine ganze Armee marschiert sein und in den umhergestreuten Steinen und Felsstücken wäre es nicht möglich, eine Spur zu erkennen.«
»Meinen Sie?« sagte James, und ein triumphierendes Lächeln zuckte um seine Lippen. – »Ja ja, im Walde sind die Herren aus der Stadt gewöhnlich so im Trüben wie –«
»Die Herren aus dem Walde in der Stadt«, spöttelte Sander mit einem etwas boshaftem Seitenblick. James mochte auch fühlen, daß er recht hatte; denn er wurde feuerrot, warf aber die Büchse, über deren Kolben seine linke Hand herabhing und sie im Gleichgewicht hielt, über die linke Schulter und zeigte jetzt vor sich zwischen die Steine nieder.
»Für was halten Sie das hier?«
»Das?« sagte Sander und bog sich zu der bezeichneten Stelle aufmerksam nieder. »Das? Ei nun, das ist gar nichts als etwas Laub und sehr viel Steine mit ein paar spärlichen Grashalmen dazwischen.«
»Und doch ist vor kaum einer Viertelstunde ein
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