Die Formel der Macht
mir leid …”
“Ja, und um die Sache noch schlimmer zu machen, haben wir im Moment für den Haushalt nur eine Aushilfe.” Er schwenkte seinen Cognac und atmete den Duft, der aus dem Glas aufstieg, genießerisch ein, bevor er einen Schluck nahm. “Unsere Haushälterin musste nach Michigan fahren, um ihre Mutter in einem Pflegeheim unterzubringen – die arme Frau hat Alzheimer –, sodass sich Olivia jetzt zu allem Überfluss auch noch um den Haushalt kümmern muss. Wir haben natürlich einen Putzdienst beauftragt, aber es gibt da so viel, was ohne Aufsicht nicht gemacht werden kann.”
“Du musst auch müde sein”, sagte Summer. “Ich weiß, dass es schon spät ist, und ich will dich auch nicht länger aufhalten als nötig, ich möchte dich nur auf dem Laufenden halten, bevor ich mit dem FBI rede …”
“Meine Liebe, ich bin eine Nachteule, deshalb hältst du mich keineswegs auf. Und selbst wenn, wäre es auch nicht schlimm. Ich erinnere mich gar nicht mehr, wann wir den letzten Abend zusammen verbracht haben, aber ich weiß, dass es viel zu lange her ist.”
“Es ist wirklich Jahre her”, sagte Summer, plötzlich nicht länger gewillt, die Illusion zu nähren, dass ihre Beziehung etwas sei, das sie gar nicht war und wahrscheinlich auch nie sein würde. “Den letzten gemeinsamen Abend haben wir in der Woche, nachdem meine Mutter gestorben war, verbracht.”
Ihr Vater zuckte schmerzlich berührt zusammen und schwenkte seinen Brandy im Glas. “Auf diese Rüge kann ich nichts anderes antworten, als dass es mir leid tut. Aber Außenminister des mächtigsten Landes der Welt wird man eben nun mal nicht, ohne persönliche Opfer zu bringen.” Er räusperte sich. “Große persönliche Opfer, genau gesagt.”
“Ich verstehe.” Er wollte noch mehr sagen, aber sie schüttelte den Kopf, entschlossen, sich nicht zum x-ten Mal ein Gespräch über den Druck, der auf ihm lastete, aufzwingen zu lassen, ein Thema, das zu erörtern er nie müde zu werden schien. “Nein, wirklich, Dad, das verstehe ich. Aber lass mich dir erzählen, warum ich hier bin. Ich bin sicher, dass Olivia dir von unserem Mittagessen erz…”
Ihr Vater nickte. “Sie hat mir erzählt, dass du sie wissen lassen wolltest, dass du sie an dem Abend, bevor er ermordet wurde, mit Fernando im Zug gesehen hast. Wir fanden es beide höchst seltsam, dass du sie damals nicht gleich angesprochen hast. Ich weiß, dass deine Beziehung zu deiner Stiefmutter immer schwierig gewesen ist, aber …”
“Dad, ich muss dir wirklich eine Menge erklären, und ich bin sehr in Eile, deshalb wäre es mir recht, wenn wir gleich zur Sache kommen könnten.”
Ihr Vater schaute verdutzt drein. Summer hatte normalerweise nicht die Angewohnheit, ihn zu unterbrechen, und jetzt hatte sie es schon das zweite Mal getan. “Sehr gut. Was willst du mir sagen?”, fragte er.
“Ich habe mich vorhin mit Bill Ogilvie getroffen. Ich erwarte nicht, dass dir der Name etwas sagt. Er ist ein altgedienter Polizeiberichterstatter bei der
New York Times.
Er hat mich im Büro angerufen und mir erzählt, dass die Polizei einen Mann namens Arturo Branco festgenommen hat, der verdächtigt wird, Fernando da Pereira ermordet zu haben.”
“Olivia und ich haben es bereits gehört. Der Polizeichef war so freundlich, uns über den neuesten Stand der Angelegenheit persönlich zu informieren. Ich kann nur meine höchste Zufriedenheit ausdrücken, dass sie den Täter so schnell gefasst haben. Fernando war ein herausragender Kopf, und sein Tod reißt eine große Lücke in die Führungselite der brasilianischen Wirtschaft.”
“Bill Ogilvie ist nicht überzeugt, dass die Polizei das, was wirklich hinter Fernandos Mord steckt, aufgedeckt hat. Er glaubt nicht, dass die Verhaftung dieses Branco das Ende der Geschichte ist, und da es mir nicht anders geht, haben wir beschlossen, etwas trinken zu gehen und ein paar Gedanken auszutauschen.”
Gordon wirkte alarmiert. “Großer Gott, Summer, das war riskant. Ich hoffe, du hast gut aufgepasst, was du zu ihm sagst. Diese Reporter haben alle möglichen Tricks, wie sie einem Informationen entlocken …”
“Bill hat mich nicht ausgetrickst, Dad. Diese Sorte Journalist ist er nicht.”
“Vertrau mir”, sagte Gordon trocken. “Sie sind alle gleich. Meine Liebe, ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, aber wenn irgendetwas über deine Entführung nach außen dringt und sie können die Spur zu dir zurückverfolgen, wird Julian Stein
Weitere Kostenlose Bücher