Die Formel der Macht
schwenkte seinen Drink, obwohl das Eis inzwischen schon fast geschmolzen war. “Sie unterstellen, dass Pereira getötet wurde, bevor er die Verträge zur Herstellung dieses neuen Medikaments unter Dach und Fach bringen konnte.”
“Es scheint ein logisches und überzeugendes Motiv für den Mord zu sein, finden Sie nicht? Ein Millionengewinn jährlich ist für jeden eine große Versuchung und erst recht für einen missgünstigen Konkurrenten.”
“Es ist jedenfalls nicht ganz ausgeschlossen. Was zwei spannende Fragen aufwirft: Erstens, woher wissen Sie so viel über Pereira und sein Wunderheilmittel und zweitens, wer ist die geheimnisvolle Person, die es entdeckt hat? Da Sie behauptet haben, dass es ein Freund von Ihnen ist, müssen Sie es wissen.”
Summer schwieg für einen Moment. Dann wurde ihr klar, dass sie zu Bill offen sein musste, soweit sie es konnte, wenn sie wollte, dass er ihr half. “Ich kann Ihnen keine ehrliche Antwort auf Ihre Fragen geben, deshalb schweige ich lieber, statt mir irgendwelche Lügen auszudenken. Mir fehlen selbst noch eine Menge Antworten, und möglicherweise steht ein Menschenleben auf dem Spiel, wenn ich etwas Falsches sage.”
“Jetzt enttäuschen Sie mich aber”, bemerkte Bill trocken. “Mit Melodramatik kann ich nicht viel anfangen.”
“Ich auch nicht. Allerdings kann ich Ihnen versichern, dass meine Vermutung, ein Menschenleben stände auf dem Spiel, absolut nichts mit Melodramatik zu tun hat, sondern leider eine traurige Tatsache ist.” Sie schaute ihn flehend an. “Bei unserem ersten Gespräch bat ich Sie, mir noch ein bisschen Zeit zu geben, und darum bitte ich Sie noch immer. Tun Sie es, dann bekommen Sie am Ende von mir eine Geschichte. Eine große, das verspreche ich Ihnen.”
Bill schüttelte ungläubig den Kopf. “Rita hat mich gewarnt, dass Sie es an einem guten Tag schaffen, einer Klapperschlange ihre Rasseln abzuschwätzen. Sie weiß nicht einmal die Hälfte.”
In seiner Stimme schwang genug Belustigung mit, dass Summer ihn anlächelte. “Ich nehme es als ein Kompliment. Die Sache ist allerdings die, dass ich Ihre Hilfe immer noch brauche, Bill. Ich muss wissen, wer Fernandos mächtigste Konkurrenten sind, weil wir so vielleicht die Namen der Leute herausfinden, die den Mord an ihm in Auftrag gegeben haben. Ich könnte selbst recherchieren, aber da Sie es ja vielleicht bereits getan haben, gibt es keinen Grund, das Rad noch einmal zu erfinden.”
“Sie haben recht, ich habe ein paar Recherchen über die Leute angestellt, die ihrem Unmut über Pereira am lautesten Luft gemacht haben.” Bill langte nach unten neben seinen Stuhl und zog eine schmale Ledermappe hervor, die er zwischen ihre Drinks auf den Tisch legte. Er machte den Reißverschluss auf und förderte einen braunen Umschlag zutage, wobei ein Foto herausrutschte, das zu Boden flatterte und neben Summers Fuß auf den Boden landete.
“Ich hebe es auf”, sagte sie und bückte sich.
“Danke.” Er deutete auf das Foto, das sie in der Hand hielt. “Das wurde auf Pereiras Beerdigung gemacht. Wir wollten es eigentlich zusammen mit dem Artikel über die Festnahme seines Mörders in der Ausgabe von morgen bringen, aber dann mussten wir aus Platzgründen davon absehen. Der Mann, der mit Mrs. da Pereira den Friedhof verlässt, ist der brasilianische Präsident. Diese vier Mädchen hier sind vermutlich seine Töchter.”
Summer schaute sich das Foto genauer an, neugierig, wie Fernandos Frau und seine Töchter wohl aussehen mochten. Die Beleuchtung in der Bar war schummrig, aber das Foto, das ein Profi gemacht hatte, war gestochen scharf, sodass man die Gesichter gut erkennen konnte. Senhora da Pereira war genauso schlank und elegant wie die meisten Ehefrauen reicher Brasilianer. Ihre Töchter, die alle im Teenageralter waren, verbargen ihre Tränen hinter dunklen Sonnenbrillen. Alle fünf standen, zum Einsteigen bereit, neben einer Limousine von monströsen Ausmaßen und verabschiedeten sich gerade vom Präsidenten, während ihnen ein muskulöser Chauffeur mit zusammengeschlagenen Hacken den Wagenschlag offen hielt.
Summer schaute sich den Chauffeur genauer an und spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror. Der Mann hatte ein erschreckend vertrautes Gesicht. Breite Stirn, Stupsnase, volle Lippen. Sie hatte mehrere quälende Minuten aus dem Laderaum des Minivans auf dieses Gesicht gestarrt, und jetzt erkannte sie es auf Anhieb wieder.
Senhora da Pereiras Chauffeur war einer ihrer
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