Die Formel der Macht
hattest, dass er tot ist.”
“Was ist mit meiner Entführung?”, fragte Summer. “Wurde dir das auch erst im Nachhinein klar?”
“Ich wusste nichts davon”, sagte Gordon schroff. “Selbst als wir den Erpresserbrief bekamen, konnte ich es immer noch nicht glauben, dass Alonzo hinter deinem Verschwinden steckt.”
Summer gab sich Mühe, ruhig zu atmen. “Die Tatsache, dass die Entführer mich gegen Joe austauschen wollten, hätte dir Hinweis genug sein müssen.”
“Nun ja, schon, natürlich, in gewisser Weise. Aber bis zu diesem Moment war mir nicht klar, wie kalt und herzlos Alonzo in Wirklichkeit ist. Es ist schwer zu begreifen, dass einen jemand, in dem man einen Freund und Verbündeten sieht, auf so üble Art und Weise hintergeht.”
“Warum hätte er dich hintergehen sollen? Mir kommt es viel eher so vor, als hättet ihr auf ausgesprochen vertrautem Fuß miteinander gestanden.”
“Alonzo wollte das Machtgleichgewicht zu seinen Gunsten verschieben”, gab Gordon zurück. “Er hat sich ausgerechnet, dass er, wenn ich durch seine Unterstützung die Wahlen gewinne, den Präsidenten der Vereinigten Staaten in der Tasche hat. Ich wäre erpressbar gewesen.”
Summer registrierte, dass ihr Vater in der Vergangenheit sprach. Gordon war anscheinend verrückt genug zu glauben, dass sie seinem Treiben schweigend zuschauen würde. Nicht in diesem Leben, entschied sie grimmig.
Sie ließ sich von ihrem Abscheu nur deshalb nichts anmerken, weil sie noch mehr Informationen brauchte. “Nichts von dem, was du bis jetzt gesagt hast, erklärt, warum Alonzo mich entführt hat”, sagte sie.
“Um mich bei der Stange zu halten, natürlich.” Gordon klang sehr zufrieden, dass er wichtig genug war, um Alonzo dazu zu bringen, ein derartiges Risiko auf sich zu nehmen. “Ihm war natürlich klar, dass ich sofort erraten würde, wer für Fernandos Tod verantwortlich war, und er wollte verhindern, dass ich ihn anzeigte. Außerdem konnte er auf diese Weise gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er brachte mich dazu, über den Mord an Fernando zu schweigen, und er bekam Malone in die Hände.”
Gordon schaute sie ernst an. “Ich habe für dich geschwiegen, Summer. Ich wusste, dass Alonzo keine Skrupel haben würde, dich zu töten, wenn ich meinen Mund aufmache. Deshalb ist dieser ganze Schlamassel, in dem wir jetzt stecken, in gewisser Hinsicht deine Schuld.”
Den Amerikanern wurde die Chance genommen, einen Präsidenten zu wählen, dessen Fähigkeit, anderen die Schuld zuzuschieben, absolut atemberaubend war. Sie würden nie erfahren, wie viel Glück sie gehabt hatten. Summer ging zu dem glänzenden Kirschholzschreibtisch hinüber, der in einem Alkoven vor einem der Panoramafenster stand. In einem Fach lag cremefarbenes Velinbriefpapier, in einem Behälter aus Zinn ruhte ein Montblanc-Füllfederhalter, daneben stand eine altmodische Tintenflasche. Für Olivia stets nur das Beste. Außer bei Ehemännern, wie es schien.
Summer hielt ein Blatt Papier und den Füllfederhalter hoch. “Du musst etwas schreiben”, sagte sie. Dad konnte sie ihn nicht mehr nennen. Das Wort blieb ihr im Hals stecken.
“Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Summer. Du hattest schon immer ein Spatzenhirn, genau wie deine Mutter, ihr flattert von einem Gedanken zum nächsten, ohne auch nur ein einziges Mal richtig nachzudenken.”
Noch mehr Schuldverlagerung, aber sie machte sich nicht die Mühe, sich zu ärgern. Gordon Shepherd hatte keine Macht mehr über sie. “Deine Wahl ist ganz einfach”, sagte sie. “Entweder bittest du jetzt auf der Stelle den Präsidenten schriftlich um deine Entlassung, oder ich rufe Julian Stein an und erzähle ihm alles, was du mir gerade erzählt hast.”
Er spuckte Gift und Galle. Er protestierte, er fluchte, er belegte sie mit Schimpfnamen.
Am Ende war es Olivia, die dem geschmacklosen Auftritt ein Ende bereitete. “Hör auf, Gordon”, sagte sie mit einer Stimme, die brüchig war vor Erschöpfung. “Der Traum ist aus. Du hast ihn an dem Tag zerstört, an dem du eine illegale Sieben-Millionen-Dollar-Wahlkampfspende von Alonzo da Pereira angenommen hast. Du kannst Summer dankbar sein, wenn sie bereit ist, zu schweigen, und du nicht im Gefängnis landest.”
Gordon hörte auf zu protestieren, setzte sich an den Schreibtisch und schrieb sein Rücktrittsgesuch an den Präsidenten. Dann stand er auf und ließ den Brief sowie einen handbeschrifteten Umschlag auf der Schreibunterlage zurück. “Nimm
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