Die Formel der Macht
immer gewusst, dass Gordon in seinem Machthunger fast unersättlich ist, aber ich habe mir bis heute nie klargemacht, was er in Kauf nehmen würde, um diesen Hunger zu stillen.” Sie schaute ihn an und seufzte. “Du glaubst mir nicht.”
“Doch”, sagte er. “Es ist furchtbar, aber ich glaube dir. Tatsächlich habe ich mich eben gefragt, wie es kommt, dass ich solche gravierenden Anklagen mit relativer Gelassenheit hinnehmen kann, nachdem der erste Schock vorüber ist. Und dann wurde mir klar, dass Gordon nicht nur einer der getribensten Menschen ist, denen ich je begegnet bin, sondern dass man ihn auch nie zu fassen bekommt. Obwohl er mein Schwager ist, waren wir nie Freunde, sondern stets nur politische Verbündete.”
Summer blieb vor der Tür zum Wohnzimmer stehen, ohne sich darum zu kümmern, ob Gordon oder Olivia sie hören konnten. “Ich habe mir gerade einen Plan ausgedacht, wie wir Joe aus Alonzo da Pereiras Fängen retten können, aber ich zähle darauf, dass du auf alle Schwachstellen hinweist, bevor wir ihn in die Tat umsetzen. Das Erste, was wir brauchen, ist die Formel. Hast du sie dabei?”
“Ja, sicher.” Duncan klopfte auf seine Brusttasche. “Hier drin. Ich habe drei Kopien gemacht für den Fall, dass diese hier irgendwie verloren geht.”
“Sehr vorausschauend”, sagte Summer und betrat das Wohnzimmer. “So haben wir wenigstens etwas in der Hand, falls bei der Rettungsaktion irgendwas schiefläuft. Gordons Worten zufolge hat Joe ein Medikament entwickelt, das mehrere Jahre lang verhindert, dass bei HIV-Infizierten die Krankheit ausbricht, und zwar ohne die meisten unerfreulichen Nebenwirkungen der Medikamente, die schon auf dem Markt sind.”
“Mein Gott! Das ist also der Grund dafür, warum jeder die Formel in die Hand bekommen will!” Duncan kam nicht dazu, noch mehr zu sagen, weil Gordon sie erspäht hatte. Er stand auf und begrüßte den Schwager, als ob dieser zu einem erfreulichen gesellschaftlichen Ereignis gekommen wäre. “Nett, dich zu sehen”, sagte er und schob mit vorgetäuschter Lässigkeit die rechte Hand in seine Tasche. Er war klug genug, sich keine Zurückweisung einzuhandeln, indem er zur Begrüßung die Hand ausstreckte. “Nun, ich habe gehört, dass Summer dir von den jüngsten Entwicklungen in dieser scheußlichen da-Pereira-Angelegenheit berichtet hat. Es ist wirklich ein Wundermittel, das unser Freund Malone da entdeckt hat, nicht wahr? Es hat fast keine Nebenwirkungen, weißt du. Nur ein ganz leichtes Summen im Kopf, das einhergeht mit noch leichteren Kopfschmerzen. Und soviel ich verstanden habe, bist du der Mann, der die Formel für dieses Wundermittel in seinem Besitz hat.”
“Ja.” Duncan warf ihm einen abschätzigen Blick zu, wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und ging zu seiner Schwester hinüber. “Livvy, Honey, wie geht es dir?”
“Schlecht”, sagte sie.
Er nahm ihre Hand. “Möchtest du vielleicht einen Sherry? Du sagst doch immer, dass es das zivilisierteste Verdauungsmittel ist.”
Olivia schenkte ihm ein gequältes Lächeln. “Vielen Dank, Duncan, aber ich fürchte, dass man bei diesem Übelkeitsanfall zu drastischeren Hilfsmitteln greifen muss als zu einem Sherry.”
“Willst du vielleicht nach oben gehen und dich hinlegen?”
“Nein, ich will hören, was du von Summers Plan, Joseph Malone zu befreien, hältst.” Olivia straffte die Schultern und versuchte sichtlich, sich wieder in den Griff zu bekommen. “Ich möchte wirklich, dass wir ihn retten”, sagte sie. “Es würde mir wenigstens ein bisschen helfen, darüber hinwegzukommen, dass ich bei Fernando so eine leichtgläubige Idiotin gewesen bin. Aber ich will nicht, dass Gordon ins Gefängnis kommt, Duncan. Diese Schande würde ich nicht überleben.”
“Wir werden versuchen, einen Weg zu finden, wie wir Joe befreien können, ohne die Polizei einzuschalten”, sagte Duncan. “Summer, lass uns anfangen. Wie funktioniert dein Plan?”
“Ganz einfach.” Summer massierte sich die Nasenwurzel, um die rasenden Kopfschmerzen zu vertreiben, die zwischen ihren Augen hämmerten. “Zuerst musst du wissen, dass Gordon sein Rücktrittsgesuch bereits geschrieben hat. Es liegt da drüben auf dem Schreibtisch und wartet darauf, dem Präsidenten so schnell wie möglich von Gordon persönlich überreicht zu werden.”
“Ich denke, es war voreilig von mir, diesen Brief zu schreiben”, mischte sich Gordon ein. Er warf Duncan in der Hoffnung, in ihm einen Verbündeten zu
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