Die Formel der Macht

seine Suche optimieren musste. Aber wie? Wie zum Teufel sollte er die gewundenen Gedankengänge von Terroristen nachvollziehen können?
    Er hatte noch nie so viele Bücher über Engel gesehen. Die konnte er gewiss getrost außen vor lassen, da man Engel wohl kaum als eine Subkategorie von Politikwissenschaft ansehen konnte. Ebenso verhielt es sich mit allen anderen religiösen Titeln. Und dann gab es da eine Reihe von Erfahrungsberichten von Leuten, die glaubten, dass sie von Außerirdischen entführt worden seien. Warum standen sie hier? Entführungen durch Außerirdische hatten nichts mit Philosophie und noch weniger mit Politikwissenschaft zu tun.
    Duncan wollte eben weitergehen, als er plötzlich ruckartig stehen blieb. Entführungen durch Außerirdische.
Entführung.
Das wäre typisch für die krausen Gedankengänge der Gerechtigkeitsliga. Er drängte eine Welle der Hoffnung zurück und griff nach dem ersten Buch aus dieser Sparte, das Zwillingsbrüder verfasst hatten, die behaupteten, dass ihr Krebsleiden von siebenfingrigen Ärzten aus dem Weltall geheilt worden sei. Nichts. Er durchsuchte eine Reihe von Hirngespinsten von Leuten, die angeblich von Außerirdischen vergewaltigt und/oder geschwängert worden waren. Nichts. Grimmig blätterte er ein Selbsthilfebuch durch, das Ratschläge erteilte, wie man die seelischen Wunden heilte, die Entführungen durch Außerirdische in der Regel mit sich bringen. Nichts. Duncan fluchte in sich hinein. Er hatte nicht die Zeit, zu viele falsche Vermutungen anzustellen.
    Das letzte Buch auf dem Regal war gleich in mehreren Exemplaren vorhanden.
Die Roswell-Katastrophe. Was die Regierung verschweigt.
    Duncan hatte den Autor im Fernsehen gesehen, wo er verkündet hatte, streng geheime Informationen über die Landung von mehreren Raumschiffen mit Außerirdischen bei Roswell, New Mexico, im Jahr 1947 zu haben. Der Autor war ein vernagelter Verschwörungstheoretiker, der nicht nur fest daran glaubte, von Außerirdischen entführt worden zu sein, sondern auch behauptete, dass er von einer verbrecherischen Einheit der Air Force gekidnappt und festgehalten worden sei, um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit die Wahrheit über Roswell erfuhr.
    Das Vorwort des Buches klang regierungsfeindlich genug, um für die Gerechtigkeitsliga attraktiv zu sein. Eins der Exemplare stand falsch herum im Regal. Er zog es heraus und blätterte es in fliegender Hast durch. Dabei fiel ihm ein eng mit Computer beschriebenes leuchtend rosa Blatt Papier in die Hände. Mit trockenem Mund und schwitzenden Handflächen überflog er die ersten Zeilen, um sich zu vergewissern, dass er das Gesuchte auch wirklich gefunden hatte.
    Nachfolgend unsere Bedingungen für die Freilassung der Kriegsgefangenen Summer Rain Shepherd, Tochter von Gordon Shepherd, Außenminister des korrupten Regimes der Vereinigten Staaten.
    Wir protestieren gegen die brutale Zerstörung des amazonischen Regenwaldes, die einzig der Profitmaximierung des amerikanischen militärisch-industriellen Komplexes dient. Ohne amerikanisches Geld wäre die brasilianische Regierung nicht in der Lage, den Regenwald durch den rücksichtslosen Bau überflüssiger Verkehrswege zu zerstören, eine Maßnahme, die die Zerstörung unserer größten nationalen Schätze bedeutet und sich nicht mehr rückgängig machen lässt.
    Wir protestieren ebenfalls aufs Schärfste gegen die unrechtmäßige Inhaftierung von Dr. Joseph Malone, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den unterdrückten Menschen in Amazonien Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
    Duncan wurde von einer Welle des Zorns überschwemmt, die so gewaltig war, dass er erst zweimal tief Luft holen musste, bevor er weiterlesen konnte. Welch eine grausame Ironie des Schicksals war es doch, dass ausgerechnet Summer von Leuten, die sich den Schutz des Regenwaldes auf die Fahnen geschrieben hatten, als Geisel festgehalten wurde, dabei konnte der Regenwald weiß Gott keine leidenschaftlichere Verteidigerin finden als Summer Shepherd.
    Er fand die Sprache der Botschaft merkwürdig veraltet für die Welt nach dem Kalten Krieg, aber vielleicht sollte er sich nicht wundern. Die brasilianische Gerechtigkeitsliga klang wie eine Organisation, die alternden marxistischen Guerillakämpfern, die nicht mehr wussten, wo sie sich hinwenden sollten in einer Welt, die alle Ideale auf dem Altar der Marktwirtschaft geopfert hatte, eine gemütliche Heimstatt bot. Die Tatsache, dass der Marxismus heutzutage kaum mehr