Die Formel der Macht
wie betäubt klang.
“Ja. Sie wurde von einer Gruppe, die sich “die brasilianische Gerechtigkeitsliga” nennt, als Geisel …”
“Warum weißt du das und nicht ich?” Gordon Shepherds Stimme klang schroff.
“Die Entführer haben mich angerufen, weil dein Telefon überwacht wird, und verständlicherweise wollten sie nicht, dass ihr Anruf aufgezeichnet wird.”
“Wo zum Teufel bist du? Was ist das denn für ein Krach im Hintergrund?”
“Der Verkehr. Ich bin an der Crossroads Shopping Plaza. Das ist eine Einkaufsstraße in der Nähe meiner Wohnung, wo ich gerade die Bedingungen für Summers Freilassung entgegengenommen habe. Die Entführer wollen kein Geld. Ich fürchte, es ist komplizierter.”
“Gibt es irgendeine Chance, dass wir auf ihre Forderungen eingehen können? Zumindest annähernd?”
Duncan zögerte. “Ich bin mir nicht sicher.” Gordon reagierte wie ein Vater, nicht wie ein hochrangiger Staatsbediensteter, deshalb gab Duncan ihm einen taktvollen Wink. “Ich glaube, du musst mit dem CIA-Direktor und dem FBI Kontakt aufnehmen. Und sie werden möglicherweise den Präsidenten informieren. Wir kommen nicht umhin, uns an gewisse Regeln zu halten und …”
Gordon Shepherd holte hörbar tief Luft. “Wie lange brauchst du, um mit den Forderungen hier zu sein?”
“Zehn Minuten, um zur nächsten Metrostation zu kommen. Fünfzehn Minuten Fahrt. Weitere zehn Minuten zu deinem Haus. Es geht schneller, als ein Taxi zu rufen oder auf einen Wagen von dir zu warten.”
“Dann tu es”, sagte Gordon. “Und beeil dich um Himmels willen.”
4. KAPITEL
D ie Stille jagte Summer noch mehr Angst ein als die völlige Dunkelheit oder die Schwierigkeit, durch die Kapuze zu atmen, die immer noch ihren Kopf bedeckte. Wo hatte man sie bloß eingesperrt, dass sie so absolut gar nichts hörte? Sie hatte wiederholt um Hilfe gerufen, nachdem sie – vor einer Stunde? vor zwei? vier? – aus ihrer Ohnmacht erwacht war, aber sie hatte keine Antwort bekommen, nicht einmal Flüche hatte sie gehört oder den Befehl, ruhig zu sein.
“Hallo, ist da wer?”, fragte sie zum x-ten Mal, doch eher, um den tröstlichen Klang ihrer eigenen Stimme zu hören als in der Hoffnung auf eine Erwiderung.
Die Antwort war wie immer Schweigen. Sie wurde von einer Welle der Panik überschwemmt, die in ihrem Magen aufschäumte, bis sie überzeugt war, sich vor Angst übergeben zu müssen. Wo waren die Entführer? Es war so schaurig, sich vorzustellen, dass sie da waren und sie beobachteten, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Oder war sie allein? Summer lauschte angestrengt auf menschliches Atmen oder das Rascheln einer unwillkürlichen Bewegung. Aber nichts brach die tödliche Stille, es sei denn, sie machte selbst ein Geräusch.
Ihr war nie klar gewesen, dass Stille so eine wirksame Form von Folter sein konnte. Sie zerbrach sich den Kopf, um eine Erklärung für die vollkommene Geräuschlosigkeit zu finden, aber das Einzige, was ihr einfiel, war zu entsetzlich, um es auch nur zu denken. Summer versuchte es zu verdrängen, doch es blieb hartnäckig im Zentrum ihrer Ängste.
Bin ich lebendig begraben?
Da, sie hatte es gedacht, und nun, nachdem sie die Worte formuliert hatte, verlor die grauenerregende Möglichkeit einen Bruchteil ihres Schreckens, und auch wenn sie es nicht wirklich laut ausgesprochen hatte, so hatte sie ihre Angst doch zumindest in Gedanken in Worte gekleidet. Konnte man lebendig begraben sein und trotzdem noch genug Luft zum Atmen haben? Sie erinnerte sich daran, von einer Gruppe Studenten gelesen zu haben, die einen kleinen Jungen entführt und in einer Holzkiste in einem Erdloch verbuddelt hatte. Die Luftzufuhr regulierten sie durch ein Rohr, das sie durch den Deckel der Kiste an die Erdoberfläche führten, sodass die Luft von oben hereinströmen konnte und den Jungen am Leben hielt, bis sie das Lösegeld hatten.
Jemanden lebendig zu begraben schien ihr ein höchst sicheres Versteck zu sein, deshalb konnte sie diese entsetzliche Möglichkeit für sich selbst nicht ausschließen. Was war, wenn ihre Entführer die Stelle, wo sie sie begraben hatten, nicht mehr fanden? Summer versuchte zu schlucken, aber ihr Mund war zu trocken, und sie würgte. Angenommen, sie fanden die Stelle nicht mehr, wenn sie kamen, um nach ihr zu sehen …
falls
sie überhaupt kamen. Vielleicht hatten sie ja von Anfang an geplant, sie zu töten, und es machte ihnen Spaß, sie vorher noch ein bisschen zu quälen.
Summer fing an,
Weitere Kostenlose Bücher