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Die Formel der Macht

Die Formel der Macht

Titel: Die Formel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmine Cresswell
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durch ein Wunder auf ihrem Kopf. Natürlich bemerkte der Mann sofort, dass der Klettverschluss offen war. Er rief irgendetwas aus und riss sie hoch, dann zerrte er sie aus dem Van.
    Summer erschauerte, und ihre Fähigkeit, Angst zu empfinden, kehrte schlagartig zurück. Du darfst ihnen keine Zeit geben, darüber nachzudenken, wie die Kapuze aufgegangen sein könnte oder ob du ihre Gesichter gesehen hast, schoss es ihr panisch durch den Kopf. Wenn sie erst anfingen, Fragen zu stellen, war sie verloren. Sie zuckte übertrieben zusammen und tat so, als ob sie gerade erst aus der Bewusstlosigkeit erwacht wäre.
    “Wasser”, krächzte sie und ging, eine erneute Ohnmacht vortäuschend, in die Knie. Glücklicherweise wurde sie aufgefangen, bevor sie zu Boden fallen konnte. Nach ein paar Sekunden tat sie so, als käme sie wieder zu Bewusstsein. “Wasser … bitte … ich verdurste …”
    Die Kidnapper wechselten mehrere scharfe, unverständliche Sätze, dann endete die Unterhaltung abrupt. Schritte knirschten auf Kies, eine Autotür wurde aufgerissen und wieder zugeworfen. Gleich darauf wurde sie an den Schultern gepackt. “Ich brauche etwas zu trinken”, stieß sie hervor, wobei sie sich keine große Mühe geben musste, verzweifelt zu klingen. “Bitte …”
    Sie erhielt keine Antwort. Was hatte sie auch anderes erwartet? Als man ihr die Kapuze wieder ganz über den Kopf zog und festzurrte, ergab sie sich verzweifelt in ihr Schicksal. Sie taumelte, aber diesmal war es nicht gespielt, sie hatte wirklich das Gefühl, jeden Moment wieder in Ohnmacht zu fallen. Vielleicht hatte sie sich ja einer Illusion hingegeben, und ihren Peinigern war es gleichgültig, ob sie starb.
    Sie steckte so tief in ihrer Verzweiflung, dass es einen Moment dauerte, bis sie begriff, dass einer der Entführer mit ihr sprach. “Wenn Sie etwas zu trinken wollen, müssen Sie stillhalten, damit wir eine Öffnung in die Kapuze schneiden können. Nicken Sie, wenn Sie mich verstanden haben. Wir wollen Ihnen nicht das Gesicht zerschneiden.”
    Die Aussicht, etwas zu trinken zu bekommen, elektrisierte sie. Sie nickte eifrig und hielt ganz still, während einer der Entführer einen Schlitz in die Kapuze schnitt. Gleich darauf schob ihr jemand einen Trinkhalm zwischen die Lippen.
    Summer schluckte gierig, aus Angst, dass man ihr das Leben spendende Nass nach zwei Schlucken wieder wegnehmen könnte und merkte erst nach ein paar Sekunden, dass sie nicht Wasser, sondern Apfelsaft trank. Sie war sich sicher, dass es auf der Welt nichts gab, was wundervoller schmeckte als dieser lauwarme Saft. Sie befürchtete noch immer, dass man ihr den Trinkhalm wieder wegreißen könnte, aber ihre Entführer waren offensichtlich ernsthaft um ihren Gesundheitszustand besorgt und ließen sie trinken, bis sie genug hatte, dann stießen sie sie wieder in den Van.
    Sekunden später fuhren sie auch schon los, und da sie keinen erneuten Versuch unternahm, sich der Kapuze zu entledigen, konnte sie nur spekulieren, wohin die Reise ging. Wenn sie hinter Savannah weiter geradeaus gefahren waren, würden sie bald in Florida sein. Wollten sie nach Miami? Vielleicht hatten sie ja vor, sie auf einem Hausboot zu verstecken. Oder sie planten, sie die kurze Strecke übers Meer nach Kuba zu bringen. Vielleicht waren die Entführer ja gar keine brasilianischen oder portugiesischen Staatsbürger, sondern Exilkubaner. Vielleicht sprachen sie ja nicht Portugiesisch, sondern Spanisch. In ihrem derzeitigen Zustand war es gut möglich, dass sie die beiden Sprachen durcheinanderbrachte, da sie für jemanden, der kein Sprachgehör hatte – und dazu zählte sie mit Sicherheit –, sehr ähnlich klangen.
    Kubanische Entführer machten immerhin wesentlich mehr Sinn als brasilianische. War sie womöglich von einer dieser verrückten Gruppen von Exilkubanern entführt worden, die der amerikanischen Regierung seit Jahren in den Ohren lagen, endlich in Kuba militärisch zu intervenieren oder zumindest ein CIA-Kommando nach Kuba zu entsenden, um Fidel Castro zu ermorden?
    Andererseits hatte sie keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Van wirklich nach Miami fuhr. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie tatsächlich in Richtung Süden fuhren. Es konnte genauso gut sein, dass sie wieder zurückfuhren und auf verschlungenen Wegen in Kanada landeten. Die bittere Wahrheit war, dass sie eine Menge Energie darauf verschwendet hatte, um sehen zu können, aber die Information, die sie bekommen hatte, war inzwischen

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