Die Formel der Macht
völlig wertlos geworden.
Summer merkte, dass ihr die Tränen über die Wangen rollten, aber sie weinte nicht aus Angst, sondern aus reiner Frustration, die ihr wie Säure im Magen brannte. Herrgott noch mal, sie sollte sich wirklich eine zündende Idee einfallen lassen, statt hier auf dem Rücken zu liegen und darauf zu warten, dass jemand sie rettete! Aber sosehr sie sich auch das Hirn zermarterte, es wollte ihr einfach nichts einfallen. Sie hatte nicht die leiseste Idee, wie sie sich selbst befreien könnte. Du bist wirklich ein erbärmlicher Feigling, schloss Summer düster und wimmerte selbstmitleidig in sich hinein.
Die von dem Apfelsaft erzeugte Euphorie hatte sich schon längst wieder verflüchtigt, und Summer versank erneut in Lethargie. Sie dämmerte mehrere Stunden, wie ihr schien, vor sich hin, aber als der Van plötzlich stehen blieb, wurde sie mit einem Ruck aus ihrer Apathie gerissen. Schlagartig hellwach, registrierte sie mit Verspätung, dass sie schon seit einer geraumen Weile nicht mehr auf einem Highway gefahren waren. Der Verkehrslärm war enorm, und als die Türen des Minivans geöffnet wurden, wurde er ohrenbetäubend.
Das, was sie da hörte, war kein normaler Verkehrslärm. Summer hörte genauer hin und war sich schließlich sicher, dass es sich um die rotierenden Propeller eines Hubschraubers handelte. Ihre Stimmung hob sich. Ein Hubschrauber schien ihr ein äußerst vielversprechendes Zeichen, und sie betete zu Gott, dass er voller FBI-Agenten war, die zu ihrer Rettung ausgeschwärmt waren.
Zusammen mit dem Lärm schwappte schwülwarme Luft in den klimatisierten Van. Diesmal wurde ihr im selben Moment, in dem Hände sie ergriffen, die Kapuze vom Kopf gezerrt, und sobald sie auf den Beinen stand, durchtrennte jemand das Klebeband, mit dem man ihr die Arme auf den Rücken gefesselt hatte. Summer fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Das konnte nur das FBI sein. Gott sei Dank hatten sie sie gefunden, bevor man sie nach Kuba oder sonst wohin verfrachtet hatte. Lächelnd und gegen die frühe Morgensonne anblinzelnd, drehte sie sich zu ihren Rettern um.
“Ziehen Sie das an”, brüllte ihr eine Stimme ins Ohr.
Als Summer sich umdrehte, wobei sie ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne abschirmte, fand sie sich Auge in Auge mit Richard Nixon wieder, der ihr eine orangefarbene Jacke aus dickem Nylon hinhielt. Völlig schockiert von dem unwirklichen Anblick blinzelte sie und trat unwillkürlich einen Schritt zurück, wobei sie mit John F. Kennedy zusammenprallte. Ihr Verstand setzte aus.
Als schließlich Präsident Reagan hinter einer Baumgruppe hervortrat und ihre Arme durch die Armlöcher der orangefarbenen Weste steckte, begann ihr Verstand wieder zu arbeiten. Wer immer diese Leute auch sein mochten, zu ihrer Rettung herbeigeeilte FBI-Agenten waren sie ganz bestimmt nicht. Verspätet versuchte sie sich loszureißen, aber es gelang ihr nur, einen Schlag auf Reagans Kinn zu landen.
Als ihre Faust mit Reagans Gesicht in Berührung kam, spürte sie die Latexschicht auf seinem Kinn und begriff endlich, dass sie nicht unter Halluzinationen litt, sondern Verbrechern gegenüberstand, die verblüffend echt wirkende Masken trugen. Reagan ließ sich von dem Schlag nicht beirren und zog ihr ungerührt die Weste an. Als er sie zu dem Helikopter zerrte, sah sie, dass Gerald Ford, Harry Truman und Jimmy Carter Maschinengewehre aus dem Hubschrauber ausluden. Ihre Entführer hatten offenbar einen ausgesprochen abstrusen Sinn für Humor.
“Ducken”, befahl Reagan, als sie bei dem Helikopter angelangt waren, der das Logo des Mercy Memorial Hospital von Lakeland, Florida, trug. Summer gab sich keine Mühe zu begreifen, wie es kam, dass ihre Entführer einen Rettungshubschrauber flogen. Reagan legte seine Hand auf ihren Kopf und drückte sie nach unten. “Beeilung.”
“Wohin bringen Sie mich?” Die Frage war reine Atemverschwendung, weil sie in dem Lärm der rotierenden Rotorblätter unterging.
Präsident Ford zog sie von innen in den Hubschrauber hinein. Präsident Eisenhower saß am Steuerknüppel, und der Helikopter hob in dem Moment ab, in dem sie und Reagan saßen. Truman, Kennedy, Carter und Nixon blieben unten zurück. Reagan schnallte sich an und bedeutete ihr, dasselbe zu tun, dann zeigte er auf die Kopfhörer, die über der Armlehne ihres Sitzes hingen. Summer setzte sie auf, weil ihr eine Weigerung außer einer guten Chance, taub zu werden, nichts einzubringen schien.
Reagans Stimme
Weitere Kostenlose Bücher