Die Formel der Macht
nicht bedeuten, dass Malone mit Fernando verwandt ist.”
“Natürlich nicht. Deshalb muss ich es ja wissen. Fernando da Pereira war so prominent in Brasilien, und ich dachte, du könntest vielleicht mit einem Anruf herausfinden, ob er und Joe verwandt waren.”
Plötzlich wurde es am anderen Ende der Leitung so still, dass Summer schon glaubte, sie wären getrennt worden. “Duncan, bist du noch da?”
“Ja”, sagte er gedehnt. “Ich habe darüber nachgedacht, was du eben gesagt hast. Ich habe da Pereira vor zwei Wochen getroffen. Er war ein eindrucksvoller Mann, halb südamerikanischer Feudalherr und halb Internationalist des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Du weißt, dass er tot ist?”
“Ja, ich habe es in der
New York Times
vom Sonntag gelesen. Er wurde Samstagnacht getötet, ein paar Stunden bevor ich entführt wurde.”
“Willst du behaupten, dass es zwischen dem Mord an da Pereira und Malones Verschwinden eine Verbindung gibt? Dass deine Entführung irgendwie mit da Pereiras Tod in Zusammenhang steht?”
Es erschien abwegig, und doch war Duncan auf Anhieb zu denselben Schlussfolgerungen wie sie gekommen. Summer holte zitternd Atem. “Sag mir, wenn du mich für verrückt hältst, aber falls sich herausstellen sollte, dass Joe Malone und Fernando verwandt sind, fändest du es dann nicht einen seltsamen Zufall, dass die Gerechtigkeitsliga beschließt, mich exakt an demselben Wochenende zu entführen, an dem Fernando ermordet wird, um mich ein paar Tage später gegen Joe auszutauschen?”
“Natürlich ist es ein komischer Zufall”, sagte Duncan langsam. “Aber das sind alles nur vage Vermutungen. Die da Pereiras sind eine große Familie. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Malone irgendwie entfernt mit da Pereira verwandt war, beweist das noch gar nichts.”
“Es ist nicht nur, weil sie verwandt sein könnten. Die
Times
hat erwähnt, dass Fernando kürzlich seine Einstellung gegenüber der Erschließung Amazoniens gründlich geändert habe. Dem Artikel zufolge hat er versucht, durch Kontaktleute im brasilianischen Parlament ein Gesetz einbringen zu lassen, das große Teile des Urwaldes vor fremdem Zugriff schützen soll. Da sich Joe bereits seit zehn Jahren für den Schutz des Regenwaldes einsetzt, habe ich mich gefragt, ob nicht vielleicht er es war, der entscheidend dazu beigetragen hat, dass Fernando seine Meinung ändert.”
“Und jetzt nimmst du an, dass Fernando von Leuten getötet wurde, die durch seinen plötzlichen Meinungsumschwung ihre wirtschaftlichen Interessen bedroht sahen?”
“Es wäre immerhin möglich, oder nicht?”
“Möglich wäre es”, pflichtete Duncan ihr bei. “Amazonien ist eine der letzten Regionen der Welt, in denen man mit atemberaubender Geschwindigkeit Geld scheffeln und ebenso verlieren kann. Deshalb könnte Fernandos Meinungsänderung durchaus ein Motiv für den Mord an ihm sein. Aber das wirft noch kein Licht auf das, was mit Malone passiert ist. Wenn irgendwelche Hardliner Malone loswerden wollten, brauchten sie nicht erst irgendwelche tollkühnen Pläne zu schmieden. Sie hätten sich nur in Manaus umschauen müssen, wo es kein Problem ist, jemanden für eine Handvoll Dollars ins Jenseits befördern zu lassen.”
“So einfach ist es nicht”, protestierte Summer. “Vielleicht wollten sie Joe ja gar nicht töten. Vielleicht haben sie das alles nur inszeniert, weil sie ihn lebend brauchten.”
“Nehmen wir an, du hast recht und Fernandos Feinde sind auch Joes Feinde und sie wollten zur gleichen Zeit, zu der sie Fernando töteten, Joe lebend in die Finger bekommen. Warum sollten sie warten, bis er in den Vereinigten Staaten im Gefängnis sitzt? Für zweihundert Dollar und ein Flugticket nach Rio hätten sich in Amazonien viele Freiwillige gefunden, die Joe entführt und ihn ihren Auftraggebern auf einem Silbertablett mit einem Apfel im Mund serviert hätten.”
“Womit du praktisch alle Gründe aufgezählt hast, warum ich bei Julian Stein wegen der Sache keinen Wirbel machen will.” Trotz Duncans Gegenargumenten fühlte Summer sich nicht so erleichtert, wie sie sich eigentlich fühlen sollte. Sie brauchte nicht mehr als einen Sekundenbruchteil, um zu entscheiden, dass sie Duncan ihr wirkliches, den Mord betreffendes Dilemma nicht anvertrauen konnte, da es sich immerhin um seine Schwester handelte. Sie musste einen Schritt nach dem anderen machen, und dafür musste sie erst einmal wissen, ob es zwischen Joe und Fernando familiäre
Weitere Kostenlose Bücher