Die Formel der Macht
Beziehungen gab.
“Duncan, nur zu meiner Beruhigung wüsste ich trotzdem einfach gern, ob Joe und Fernando verwandt waren. Irgendwie weiß ich, dass mir diese Frage einfach keine Ruhe lassen würde. Und dann können wir immer noch überlegen, wie man am besten weiterverfährt.”
“Na gut, ich stimme dir zu, das es gut wäre, in dieser Frage Klarheit zu haben. Ich werde zusehen, was ich herausfinden kann, und rufe dich an, sobald ich etwas weiß.”
“Danke, Duncan. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.”
“Nichts zu danken”, sagte er. “Dann also bis Sonntag. Um fünf.”
Summer legte auf und schaute mit gerümpfter Nase auf den verbliebenen Poststapel. Sie wühlte sich durch die Rundschreiben und Fachzeitschriften, bis sie auf ein schmales quadratisches Päckchen stieß, das offenbar eine CD enthielt. Während sie nach dem Brieföffner griff, überlegte sie, ob sie sich in letzter Zeit eine Musik-CD bestellt hatte. Als sie den Brieföffner unter die Lasche schob, sah sie an dem Absender, dass die CD von Sony kam, obwohl es brasilianische Briefmarken waren, und da war auch eine Zollerklärung, die ebenfalls brasilianischen Ursprungs …
Summer spürte, dass ihr ganz flau wurde. Sie riss das Päckchen einfach mit den Händen auf, die plötzlich angefangen hatten zu zittern. Es enthielt die übliche durchsichtige Plastikhülle, in der sich eine glänzende CD ohne Etikett befand. Außer der CD steckte in der Hülle ein weißes Blatt Papier, auf dem jemand mit ein paar Federstrichen einen beschwipst aussehenden Frosch gezeichnet hatte, der einer dicken schielenden Fliege die Zunge herausstreckte. Es gab keine schriftliche Mitteilung, aber die Zeichnung stammte ohne Zweifel von Joe. Er besaß ein echtes Zeichentalent, und jeder Brief von ihm an sie war stets mit einem Frosch unterschrieben.
So angespannt, dass sie kaum atmen konnte, stellte Summer ihren Computer an und legte die CD in das CD-ROM-Laufwerk. Der Bildschirm flackerte, dann leuchtete der Befehl auf.
Passwort eingeben.
11. KAPITEL
I m Verlauf der ersten vierundzwanzig Stunden, die seit Joes Ankunft in der Villa der da Pereiras am Stadtrand von Manaus vergangen waren, hatte Alonzo Salazar da Pereira Joe persönlich begrüßt. Was Joe für einen bösen Fehler hielt, falls seine Entführer ihn in dem Glauben wiegen wollten, dass sie vorhatten, ihn am Leben zu lassen. Ihm wären maskierte Gesichter und ein ernst zu nehmender Versuch, seinen Aufenthaltsort vor ihm geheim zu halten, wesentlich lieber gewesen, weil es zumindest die Chance bedeutet hätte, dass seine Entführer nicht felsenfest entschlossen waren, ihn zu töten.
In Erwartung des Moments, wo man ihnen erlauben würde, ihn zu töten, behandelten Alonzos Handlanger Joe mit aller gebotenen Höflichkeit, die man gemeinhin einem Gast entgegenbrachte. Die Suite, in die man ihn eingesperrt hatte, war mit einer Auswahl Zeitschriften in englischer und französischer Sprache ausgestattet sowie einem Whirlpool, einem Bett, das genug Raum bot, um darin eine kleine Orgie zu feiern, und einem Computer, ohne Internetzugang natürlich. Zu der kleinen Hausbar gehörte auch ein Kühlschrank, der mit frischen Fruchtsäften und Softdrinks gefüllt war. Es gab sogar Satellitenfernsehen, über das man sämtliche südamerikanischen Sender empfangen konnte.
Seit zwei Tagen ließen Alonzos Leute ihn völlig allein, bis auf die Momente, in dem sie ihm das Essen brachten. Es war ihm offenbar vorbestimmt, in gutem Ernährungszustand zu sterben. Nachdem er jeden Quadratzentimeter seines Gefängnisses untersucht und seinen Verdacht bestätigt gefunden hatte, dass es keinen Weg gab, um mit der Außenwelt in Kontakt zu treten, beschäftigte Joe sich abwechselnd damit, sich um Summer Sorgen zu machen und sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was zum Teufel mit Fernando passiert war. Ganz offensichtlich hatte Fernando nicht mitbekommen, dass die Gegenseite ihrer beider Cousin Alonzo gekauft hatte. Wenn Fernando etwas von Joes Entführung gewusst hätte, hätte er mit Sicherheit interveniert. Was bedeutete, dass Fernando ausgeschaltet war und er, Joe, bis zum Hals im Sumpf steckte, der von Krokodilen nur so wimmelte. Schlimmer noch, bald würden die Piranhas kommen und die traurigen Überbleibsel, die die Krokodile zurückgelassen hatten, noch weiter zerfleddern.
Joe hatte eigentlich erwartet, dass man ihn, um ihn weichzuklopfen, noch länger im eigenen Saft schmoren lassen würde, aber seine Entführer waren offenbar
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