Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
besaßen ein Messer, und auch die jungen Männer in den Überseeländern, als Zeichen der Männlichkeit. Denn es handelt sich dabei eindeutig um eine sexuelle Aggression nach alter Art. Wer verliert, dem schneidet man den Schwanz ab, wer sich in das Revier des anderen verirrt, dem schiebt man einen rein. In diesem Spiel waren wir ziemlich stark. Unsere Soldaten machten was her.
»Egal, das ist nur bildlich gesprochen. Bilder sind eindrucksvoll, prägen sich ein und können uns dienen.«
»Haben Sie vor, das zu wiederholen, was Sie in Algerien getan haben?«
»Was hättest du denn an unserer Stelle getan?«
»Ich war nicht dort.«
»Das ist keine Entschuldigung. Und wenn du dort gewesen wärst? Hast du gesehen, was sie mit dir tun konnten? Wir haben Leute wie dich verteidigt. Wir haben den Terror in Grenzen gehalten.«
»Indem Sie Terror verbreitet haben.«
»Weißt du, was sie mit den Unsrigen gemacht haben? Und mit Leuten wie dir? Mit jenen, die ein Gesicht hatten wie du und Kleider wie du? Denen wurde der Bauch aufgeschlitzt und mit Steinen gefüllt. Sie wurden mit ihren eigenen Gedärmen erdrosselt. Wir waren allein mit dieser Gewalt. Manche, die weit weg vom Schuss saßen und nicht in Gefahr standen, Blutspritzer abzubekommen, wagten zu behaupten, die Kolonialsituation bringe diese Gewalt hervor. Aber wie die Situation auch immer sein mochte, jemand, der derartige Gewalt anwendet, kann nicht zu den Menschen gerechnet werden. Wir hatten eine Horde von Wilden vor uns, und wir waren allein.«
»Die Bewohner der Kolonien waren keine vollwertigen Menschen, ganz offiziell.«
»In meiner Kompanie waren Vietnamesen, Araber und ein versprengter Madagasse. Wir waren Waffenbrüder.«
»Der Krieg ist der einfachste Teil des Lebens. Man verbrüdert sich da leicht. Aber anschließend, wenn man den Krieg hinter sich gelassen hat, wird alles viel komplizierter. Ich kann gut verstehen, dass manche nie wieder ein normales Leben führen wollen.«
»Was hättest du denn gemacht, angesichts der Terrasse eines Cafés, die mit Opfern und Schutt übersät ist, stöhnenden Menschen, blutverschmierten, heulenden Kindern, die ein Bein verloren haben oder von den Glasscherben bedeckt sind, die sie zerfetzt haben? Was hättest du gemacht, vor allem wenn man weiß, dass es bald von Neuem losgeht? Mit Äxten, mit Bomben, mit Rebmessern, mit Knüppeln. Was hättest du angesichts jener getan, die lebendig in Stücke geschnitten wurden, und zwar nur wegen der sogenannten Ähnlichkeit? Wir haben das getan, was wir tun mussten. Das einzig Richtige.«
»Sie haben den Terror weiterverbreitet.«
»Ja. Das hat man uns befohlen. Wir haben es getan. Wir haben den Terror weiterverbreitet, um ihn auszulöschen. Was hättest du in jenem Moment getan? Und in jenem Moment, das heißt, wenn du mit den Füßen im Blut stehst, mit besudelten Schuhen, unter den Sohlen knirschen die Glasscherben, du gehst über Fleischfetzen, die noch bluten, und hörst jene wimmern, die bei lebendigem Leib zerfetzt worden sind. Was hättest du getan?«
»Sie sind gescheitert.«
»Das ist Nebensache.«
»Das ist die Hauptsache.«
»Es wäre uns fast gelungen. Wir haben nicht bis zum Ende die volle Unterstützung erhalten. Eine absurde Entscheidung hat unsere jahrelange Arbeit zunichte gemacht.«
Ich blickte Salagnon an und merkte genau, dass ihm das nicht passte; dass ihm nichts passte, weder das, was Mariani sagte, noch das, was ich sagte. Er stand auf, räumte die Bierdosen weg, ging ans Fenster, kam zurück und zog das Bein dabei leicht nach, seine alte Hüftverletzung machte sich wieder bemerkbar, diese Beschwerden meldeten sich immer in den Momenten, wenn ihm etwas nicht passte. Ich sah an seinem Gesicht, dessen Züge ich genau kannte, dass er nicht zufrieden war. Ich sah seinen Schmerz; ich hätte ihn gern nach dem Grund gefragt, aber dieses Streitgespräch, bei dem jeder das letzte Wort haben und den anderen zum Schweigen bringen wollte und bei dem jedes Wort dessen, der irgendwann verstummte, anschließend verachtet werden würde, nahm mich ganz in Anspruch. Ich war so damit beschäftigt, Mariani zum Schweigen zu bringen, dass ich nicht versuchte, den Grund für Salagnons Reaktion herauszufinden, ich stellte ihm keine Frage.
»Kriege sind einfach, wenn man sie erzählt«, sagte Salagnon seufzend. »Bis auf jene, die wir geführt haben. Sie waren so kompliziert, dass jeder versucht hat zurande zu kommen, indem er eine traurige Geschichte erfand, und jeder
Weitere Kostenlose Bücher