Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
voller Lektionen, die nicht veralten.«
»Im Jahre 1943 erzählt man nicht vom Krieg.«
Victorien errötete und legte die Hände, die seinen Bericht mit Gesten begleitet hatten, auf den Tisch.
»Du bist mutig, Victorien, und voller Tatendrang. Aber Öl und Wasser müssen voneinander getrennt werden. Wenn der Mut von den Kindereien getrennt ist und der Mut tatsächlich an der Oberfläche schwimmt, dann komm vorbei, damit wir uns mal ernsthaft unterhalten.«
»Und wo finde ich dich? Und worüber sollen wir uns unterhalten?«
»Zum rechten Zeitpunkt wirst du das wissen. Aber vergiss eines nicht: Warte, bis Öl und Wasser sich getrennt haben.«
Seine Mutter stimmte zu, ihr Blick ging von einem zum anderen, sie schien ihrem Sohn zu raten, gut zuzuhören und das zu tun, was sein Onkel ihm sagte. Sein Vater brach in lautes Lachen aus und schenkte Wein nach.
Es klopfte an der Tür, alle zuckten zusammen. Der Vater hielt die Weinflasche noch immer schräg über seinem Glas, aber es floss kein Tropfen Wein mehr. Es klopfte erneut. »Nun geh schon hin und mach auf!« Der Vater zögerte noch, wusste nicht, was er mit seiner Flasche, seiner Serviette und seinem Stuhl tun sollte. Er wusste nicht, in welcher Reihenfolge er sich ihrer entledigen sollte, und das lähmte ihn. Es klopfte lauter, die kurz aufeinanderfolgenden Schläge deuteten einen Befehl oder die Ungeduld eines Verdachts an. Der Vater öffnete, und im Türspalt wurde das spitz zulaufende Gesicht des Blockwarts sichtbar. Seine lebhaften Augen warfen einen raschen Blick in die Runde, dann lächelte er mit den für seinen Mund zu großen Zähnen.
»Das hat aber lange gedauert! Ich komme gerade aus dem Keller, um zu sehen, ob seit dem Alarm alles in Ordnung ist. Ich mache meine Runde. Bisher sind alle da. Zum Glück hatten sie es heute Abend nicht auf uns abgesehen, denn nicht alle haben den Luftschutzkeller aufsuchen können.«
Während er sprach, grüßte er Madame Salagnon mit einem Kopfnicken, ließ den Blick eine Weile mit dem Zähne zeigenden Lächeln auf Victorien ruhen, und als er mit seiner Ansprache fertig war, war sein Gesicht dem Onkel zugewandt. Er hatte ihn schon gleich zu Anfang entdeckt, aber er verstand zu warten. Er starrte ihn eine Weile stumm an, um leichte Unruhe zu erwecken.
»Monsieur? Wer sind Sie?«
»Mein Bruder«, sagte die Mutter mit schuldbewusster Eile. »Mein Bruder. Er ist auf der Durchreise.«
»Schläft er bei Ihnen?«
»Ja. Wir haben ihm ein behelfsmäßiges Bett auf zwei Sesseln vorbereitet.«
Mit einer Handbewegung brachte er sie zum Schweigen: Er kannte diesen Ton der Entschuldigung. Aus der Art, wie die anderen mit ihm sprachen, bezog er seine ganze Macht. Er wollte mehr: Er wollte, dass dieser Mann, den er nicht kannte, die Augen senkte und so schnell wie möglich den Mund öffnete, um ihm atemlos etwas zu sagen.
»Sind Sie gemeldet?«
»Nein.«
Der Tonfall deutete an, dass der Satz zu Ende war. Das Wort fiel wie eine Stahlkugel in den Sand und würde nicht weiterrollen. Der Blockwart, der es gewohnt war, mit einem einzigen Blick einen geschwätzigen Redefluss auszulösen, verlor darüber fast das Gleichgewicht. Seine Augen gingen unruhig hin und her, er wusste nicht, wie er fortfahren sollte. In diesem Spiel, in dem er den Ton angab, musste jeder die Regeln einhalten. Doch der Onkel machte nicht mit.
Victoriens Vater bereitete mit einem jovialen Lachen der unbequemen Situation ein Ende. Er ergriff ein Glas, füllte es und reichte es dem Blockwart. Die Mutter schob ihm einen Stuhl hin, der gegen seine Kniekehlen stieß und ihn zwang sich zu setzen. Nun konnte er den Blick senken, das Gesicht wahren und breit lächeln. Er kostete den Wein und machte eine würdigende Mundbewegung; jetzt konnten sie über etwas anderes sprechen. Er fand den Wein ausgezeichnet. Der Vater lächelte bescheiden und las noch einmal vor, was auf dem Etikett stand.
»Ach, natürlich. Haben Sie noch mehrere von diesem Jahrgang?«
»Zwei Flaschen. Die andere ist für Sie, da Sie ihn zu schätzen wissen. Sie geben sich schon so viel Mühe in diesem Haus, dass Sie eine kleine Aufmerksamkeit durchaus annehmen können.«
Er holte eine weitere Flasche des gleichen Jahrgangs und drückte sie ihm in die Hand. Der Blockwart gab sich geniert.
»Ich bitte Sie, das ist mir ein echtes Vergnügen. Trinken Sie die Flasche auf unser Wohl und denken Sie dabei daran, dass das Handelshaus Salagnon stets die besten Weine liefert.«
Der Blockwart schnalzte
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