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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Gelegenheit bietet. Ihr dürft nicht zögern, denn die Gelegenheit ergibt sich kein zweites Mal.«
    Er ließ sie im Gleichschritt um die Lichtung marschieren. Dann ließ er sie dieselbe Bewegung wiederholen: auf seinen Befehl mussten sie sich lautlos zu Boden werfen, und beim nächsten Befehl aufspringen und alle in die gleiche Richtung rennen. Und sich dann wieder zu Boden werfen. Anfangs machte ihnen diese Übung Spaß, doch dann begannen sie zu murren. Salagnon wusste das. Einer der größeren Jungen, der ein hübsches Gesicht mit beginnendem Bartwuchs und gescheiteltes, mit Brillantine geglättetes Haar hatte, war der Anführer der Protestbewegung.
    »Noch einmal?«, fragte er, als Salagnon ihnen schon wieder zischend den Befehl erteilte, sich zu Boden zu werfen.
    »Ja, noch einmal!«
    Er blieb stehen. Die anderen Pfadfinder, die sich in Gruppen auf die Erde gelegt hatten, hoben den Kopf. Sie lagen mit nackten Knien in den feuchten Blättern, ihnen wurde allmählich kalt.
    »Und wie lange noch?«
    »Bis ihr die Sache perfekt beherrscht.«
    »Ich mache nicht mehr mit. Das hat nichts mehr mit dem Spiel zu tun.«
    Salagnon ließ sich nichts anmerken. Er blickte den Jungen an, und dieser bemühte sich, seinem Blick standzuhalten. Die auf dem Bauch liegenden Pfadfinder wurden wankelmütig. Salagnon wies mit dem Finger auf zwei fast ebenso große Jungen, wie jenen, der ihn herausforderte.
    »Vuillermoz und Gilet, schnappt ihn euch.«
    Die beiden standen auf und packten ihn zunächst schüchtern am Arm und dann fester, weil er sich zu wehren begann. Und je mehr Widerstand er leistete, desto kräftiger hielten sie ihn mit einem triumphierenden Lächeln fest.
    In einer Senke wuchsen Brombeersträucher. Salagnon ging auf den Gefangenen zu, öffnete dessen Gürtel und zog ihm die Hose herunter.
    »Werft ihn da hinein!«
    »Dazu hast du kein Recht!«
    Der Junge wollte fliehen, wurde aber mit nacktem Hintern in die Brombeersträucher geworfen. Die Dornenranken ließen ihn nicht los, und kleine Blutstropfen wurden auf seiner Haut sichtbar. Er brach in Tränen aus. Niemand kam ihm zu Hilfe. Einer der Pfadfinder hob die kurze Hose des Jungen auf und warf sie in die Brombeersträucher, und je stärker er sie zu befreien suchte, umso fester verhakte sich seine Hose in den Dornen. Ein paar Jungen begannen zu lachen.
    »Wenn ihr gewinnen wollt, muss jeder Trupp funktionieren wie ein Räderwerk, ihr müsst euch fügen wie die Einzelteile einer Maschine. Und wenn ihr behauptet, keine Maschine zu sein und Seelenzustände gelten machen wollt, dann verliert ihr und seid selbst daran schuld. Es geht darum zu gewinnen.«
    In jeder Dreiergruppe legte er eine Rangordnung fest: Er bestimmte den Truppführer, der seine Befehle entgegennehmen und sie mit einer Handbewegung weitergeben sollte; die beiden anderen mussten hinter ihm herrennen und anschließend den Gegner fangen. Er fasste die Dreiergruppen in zwei Einheiten zusammen und vertraute deren Führung den beiden großen Jungen an, seinen Schergen, die jetzt bereit waren, ihm in allem zu gehorchen. »Und du«, sagte er zu seinem Opfer, das inzwischen aus den Brombeeren hervorgekommen war und sich schniefend die Hose anzog, »du gehst an deinen Platz, ich will dich nicht mehr hören.«
    Sie setzten die Übung fort, bis alle einheitlich agierten. Die Truppführer übertrafen einander an Begeisterung. Als sie bereit waren, wies ihnen Salagnon ihre Plätze zu. Er ließ sie sich in Büschen verstecken, hinter hohen Bäumen, am Rand des Wegs, der von der Wachstube in den Wald führte. Sie warteten.
    Halb mit Blättern bedeckt oder unter Farnkraut versteckt warteten sie lautlos, den Blick starr auf den Weg gerichtet, auf dem die anderen kommen würden. Die vom Boden aufsteigende Feuchtigkeit drang durch ihre Kleider und erfüllte ihre Haut mit Kälte, so wie sich ein Docht mit Petroleum vollsaugt. Trockene Äste in ihrem Lager stachen ihnen in den Bauch oder in die Schenkel, und sie schoben sich ganz vorsichtig zur Seite, um ihnen auszuweichen, mit der Zeit gewöhnten sie sich daran. Vor ihren Gesichtern erhoben sich die eingerollten Kolben behaarter Farnwedel, bereit, beim ersten Anzeichen des Frühlings hervorzusprießen. Die Jungen konnten den starken Duft nach jungem Grün spüren, der sich deutlich von dem der nassen, weißlichen Pilze unterschied. Ihr Atem hatte sich beruhigt, jetzt hörten sie, was in ihrem Inneren widerhallte; das Pulsieren der Schlagadern, wie Rohre einer Trommel, deren

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