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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Worthmann
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hattest du denn vor?”
    “ Überhaupt nichts weiter hatte ich vor! Ich wollte lediglich für ein paar Tage weg, den Kopf frei kriegen, ein bisschen ganz für mich sein. Was ist denn daran so besonders? Muss ich mich dafür rechtfertigen?”
    Er versuchte, nicht allzu gereizt zu klingen.
    “ Nein, musst du nicht, selbstverständlich nicht. Aber du kannst doch sicher verstehen, dass ich mir meine Gedanken mache, dass ich mir Sorgen mache. Was wäre denn wohl passiert, wenn ich heute nicht hier vorbeigekommen wäre? Ich wollte mich eigentlich nur kurz telefonisch bei dir melden, aber das war ja nicht möglich, und irgendwie hatte ich seit Sonntag schon so ein komisches Gefühl. Wahrscheinlich war es ja doch eine dumme Idee von mir, mehr auf Abstand zu gehen.” Sie unterbrach sich, weil sie ein bisschen weinen musste und fragte dann erneut: “Kann ich irgendetwas für dich tun? Willst du nicht doch wieder mal zum Therapeuten gehen? Ich fände das sehr gut. Oder möchtest du vielleicht, dass wir beide zusammen verreisen? Ich könnte versuchen, ein bisschen Urlaub zu nehmen. Ach, Robert...”
    “ Eva, bitte, jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen und die Probleme zu übertreiben, ja? Dies hier, dieser Rückfall, ist nun mal passiert. Du kannst mir glauben, dass ich mich selbst am meisten darüber ärgere. Aber es wird nicht wieder vorkommen, ganz bestimmt nicht. Es ist nichts weiter mit mir, wirklich nicht. Ich war nur einfach in letzter Zeit ein bisschen, wie soll ich sagen, von der Rolle. Mit dem Buch komme ich nicht voran, das geht mir, ehrlich gesagt, ziemlich auf die Nerven. Aber ich will es nicht so einfach aufgeben. Und dann diese Sache mit dem Auto, ja, das gebe ich zu, die hat mir wohl irgendwie den Rest gegeben. Aber das ist ja nun kein Weltuntergang.”
    “ Aber was ist denn nun, ich meine, was ist jetzt? Wie geht es jetzt weiter? Soll ich erst mal bei dir bleiben? Sollen wir später etwas essen gehen?”, fragte sie zaghaft und tupfte mit einem Taschentuch ihr Gesicht ab.
    “ Gib mir einen Tag Zeit, Eva, das wäre, glaube ich, besser. Ich muss erst mal wieder richtig in die Spur kommen. Ich denke, ich werde nachher einen ausgedehnten Spaziergang machen, um auf anständige Weise müde zu werden, dann ausschlafen und morgen Vormittag ein bisschen Sport machen. Lass uns morgen gegen Mittag telefonieren, ja?”
    Er stand auf und strich ihr begütigend über das Haar und über die Wange.
    “ Komm, lass es jetzt mal gut sein. Du wirst sehen, alles kommt wieder in Ordnung. Morgen bin ich wieder der Alte. Und ich verspreche dir, dass es nie wieder vorkommen wird, ganz bestimmt nicht.“
    Wenn sie doch nur gehen würde, dachte er.
    “ Du solltest vor allem deine Telefone wieder einschalten”, sagte sie resigniert und erhob sich mit müden Bewegungen.
    Er wartete damit, bis sie gegangen war. Und dann stöpselte er auch nur den Festnetzapparat ein. Das Handy ließ er abgeschaltet.

19.
    Er ging mit strammen Schritten, ohne bestimmtes Ziel, aber mit der festen Absicht, mindestens zwei Stunden lang zu wandern. Es hatte bereits zu dämmern begonnen, als der das Haus verließ, und wie er die Zeit bis dahin zugebracht hatte, nachdem Eva fort war, wusste er selbst nicht mehr ganz genau. Auf jeden Fall hatte er in der Wohnung aufgeräumt und auch die letzten Spuren seines Exzesses getilgt, die Wein-, Gin- und Cognacreste weggekippt, die Flaschen entsorgt und den Boden gewischt. Er hatte sogar eine Kleinigkeit gegessen, obschon er kaum Hunger verspürte.
    Es war ein milder Abend, passend zu den Tagestemperaturen, die bereits seit Wochen herrschten, nur kurzzeitig unterbrochen von vereinzelten Gewittern, und ihm wurde bald warm. Er schlug den Weg Richtung Stadtgrenze ein und hatte die Vorstellung, ein Stück den früheren Grenzstreifen entlang zu gehen, wo er sich besonders gern aufhielt, um dann in einem weiten Bogen zurückzukehren, und er versuchte, möglichst tief ein und aus zu atmen und beim Gehen und Atmen so wenig wie möglich zu denken. Ähnliche Wanderungen hatte er schon häufig unternommen, durch vertraute wie durch fremde Gegenden der großen Stadt, und normalerweise widmete er dabei den Straßen, Häusern, kleinen Kiezen eine gewisse neugierige Aufmerksamkeit, ähnlich wie früher, während seiner Reisen, wenn er auf langen Fußwegen durch Städte und Landstriche Eindrücke gesammelt, die neuen Bilder förmlich aufgesaugt hatte.
    Doch damit war es diesmal anders. Diesmal bewegte er sich mehr oder minder taub

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