Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Worthmann
Vom Netzwerk:
nicht, oder? Was hast du eigentlich den ganzen Nachmittag gemacht?”
    “ Nichts Besonderes. Ich bin ein bisschen spazieren gegangen. Das geht schon wieder ganz gut. Die Salbe scheint tatsächlich geholfen zu haben. Ich war in Sanssouci. Du weißt, ich mag den Park.”
    “ Du immer mit deinen Spaziergängen. Ach, Robert, manchmal denke ich, du benimmst dich nicht immer sehr vernünftig”, stöhnte sie nicht ganz ernst und verdrehte die Augen.
    “ Hast du daran gedacht, meinen Mini aufzutanken und nochmal alles durchzuchecken?”, fragte sie ihn wenig später.
    Nein, das hatte er nicht, natürlich nicht. Wie hätte er daran denken können in Anbetracht all dessen, was unablässig seine Gedanken beschäftigte. Aber es nützte ja nichts, dieses Versäumnis zu leugnen.
    “ Tut mir Leid”, sagte er, “ich habe es vergessen, einfach vergessen. Aber wir können es doch morgen früh nachholen, so tragisch ist das ja wohl nicht.”
    “ Nein, tragisch ist es nicht”, wiederholte sie mit einem hörbaren Anflug von Ärger. “Du läufst im Park herum, aber an das Wichtige denkst du nicht.”
    Wenn du wüsstest, was für mich wichtig ist, schoss es ihm durch den Kopf, und er merkte, wie sich eine dunkle Missstimmung in ihm breitmachte, ein regelrechter Groll, der sich in erster Linie gegen Eva richtete - und das nicht nur, weil sie sich gegen eine rasche Abreise sperrte -, aber auch gegen sich selbst und überhaupt gegen alles. Die ganze Situation mutete ihn plötzlich sonderbar bizarr an, surreal, als passe sie eher in einen Traum oder einen Mystery-Film als ins reale Leben.
    Was tue ich eigentlich hier?, dachte er, während sich der Groll in Niedergeschlagenheit verwandelte. Weshalb will ich mit dieser Frau in Urlaub fahren? Was wird sein, wenn wir zurückkehren, wenn ich zurückkehre?
    “ Entschuldige, es ist ja schon gut, du brauchst deswegen nicht so schuldbewusst zu gucken”, hörte er sie in versöhnlichem Ton sagen. “Komm, wir machen uns frisch, dann gehen wir etwas essen und danach früh zu Bett. Und morgen beginnt unser Urlaub.”
    Am nächsten Morgen beim Aufstehen war ihm, als hätte er die ganze Nacht keine Sekunde lang ein Auge zugetan. Doch Eva erzählte ihm, sie sei einige Male dadurch aufgeschreckt, dass er im Schlaf gesprochen und sich unruhig hin und her gewälzt habe. Offenbar habe er schlecht geträumt. Sie fragte ihn, ob er sich erinnern könne, was es gewesen sei, aber das konnte er nicht.
    “ Oh Gott, jetzt vergisst du sogar schon deine Träume. Bitte werde mir nur nicht zu vergesslich”, sagte sie, aber die kleine Stichelei wirkte nicht so, als sei sie boshaft gemeint.
    Während sie im Bad war, um zu duschen und sich fertig zu machen, schlich er ins Wohnzimmer an den Computer und rief schnell das Tagesspiegel-Portal auf. Schon nach wenigen Klicks sprang ihn die Meldung an, und es waren nicht als erstes die Buchstaben und Worte, die sein Herz hämmern und ihm die Knie weich werden ließen, sodass er kraftlos auf den Stuhl sank, sondern es war das Foto, das unter der Überschrift “Arzt schwer verletzt – Patientin verschwunden“ eingeblockt war.
    Offenbar handelte es sich um ein nicht ganz neues Passbild. Sie hatte darauf eine andere, strengere Frisur, trug eine hochgeschlossene Bluse und ihr Lächeln mutete so gekünstelt an, wie es auf solchen Fotos meistens der Fall ist.
    Den Text musste er zweimal lesen, bis das, was dort stand, als Information in seinem Gehirn angekommen war, und das lag nicht nur daran, dass er wenig geschickt formuliert und aufgebaut war, sondern auch an dem geschilderten Sachverhalt.
    Der Geschäftsmann Frank G. (37) stellt bei seiner Rückkehr von einer dienstlichen Reise fest, dass seine Frau Julia (32) spurlos verschwunden war. Stattdessen fand er in dem gemeinsam bewohnten Haus im Südwesten Berlins einen schwerverletzten Mann vor. Bei diesem handelte es sich um den Arzt Dr. Ernst S. (46), einen Psychiater, dessen Wagen in der Einfahrt geparkt war. Es wurde angenommen, dass Dr. S. seine Patientin Julia G. aufgesucht hatte, da diese nach einem mehrtägigen Freigang nicht in die psychiatrische Einrichtung, eine Privatklinik, zurückgekehrt war, in der sie seit längerer Zeit untergebracht war. Frank G. habe seine überaus wichtige Dienstreise trotz gewisser Bedenken angetreten, da ihm seitens der Klinik versichert worden sei, der Zustand von Frau G. sei gegenwärtig stabil, ein Freigang ohne weiteres vertretbar und sogar empfehlenswert, damit sie wieder lerne,

Weitere Kostenlose Bücher