Die Frau aus dem Jenseits!
er den Hörer auf den Apparat und wandte sich wieder David Buchmann zu. Der Kommissar war blass geworden. David Buchmann nagte nervös an seiner Unterlippe.
Sie sahen einander an und verstanden ohne Worte, was der Andere dachte. Es waren Gedanken vom Tod, vom Tod einer Frau vor fünfundzwanzig Jahren. Und es waren Gedanken vom Tod, der womöglich schon in dieser Minute zuschlug, um die Familie Bartenstein zu treffen.
„Ein Brief aus dem Jenseits“, murmelte der Kommissar und strich sich müde über die Augen. „Ich wünschte, es wäre nur ein böser Traum.“
David Buchmann erhob sich mit starrem Gesicht. Er wollte mit einem knappen Gruß gehen, doch Schubert hielt ihn zurück.
„Wissen sie schon, was sie jetzt unternehmen werden, David?“, rief er dem Privatdetektiv nach.
„Allerdings“, David nickte schleppend. „Ich werde versuchen, eine lebendige Tote zu finden, Albrecht.“
Krachend fiel die Tür hinter ihm zu.
14
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Zwei Männer standen an diesem Morgen in München fast gleichzeitig und bereits sehr früh auf, zwei Männer, die durch ein dunkles Schicksal aneinander gekettet waren, ohne einander zu kennen.
Aurelius von Bartenstein war bereits zwei Stunden vor der üblichen Zeit in seinem Büro. Er beschäftigte sich mit Plänen von einem Bauvorhaben in der Arnulfstraße, die noch gar nicht aktuell waren. Er musste etwas tun, um sich abzulenken, sonst hätte er nervlich nicht durchgehalten.
Fabian Böhm war ebenfalls früher als gewöhnlich wach. Als der die Augen öffnete, lag er in einem Sessel im Wohnzimmer. Er fühlte sich wie gerädert. Alle Knochen taten ihm weh, sein Kopf brummte. Nur allmählich fand er in die Wirklichkeit zurück. Erschrocken fuhr er hoch, weil er sich an die Anfälle seiner Frau erinnerte.
Er lauschte. Als alles ruhig war, blickte er auf die Uhr. Erst sechs Uhr, es blieb ihm genug Zeit, sich frisch zu machen und in die Arbeit zu fahren. Bevor er heute in eine S-Bahn stieg, wollte er sich mit dem Arzt unterhalten, was mit Dagmar zu tun wäre.
Fabian duschte und zog sich um. Er war schon fertig, als er noch einmal nach seiner Frau sehen wollte. Lautlos öffnete er die Tür zum Schlafzimmer und blickte hinein. Dagmar lag noch genauso auf dem Bett, wie er sie am Vorabend hingelegt hatte. Ihre Brust hob und senkte sich in regelmäßigen Atemzügen, ihr Gesicht war entspannt und locker.
Zufrieden wollte sich Fabian Böhm bereits zurückziehen, als ihm eine Veränderung am Bett auffiel. Unter dem Kopfkissen blickte etwas hervor, das er nicht genau erkennen konnte. Auf Zehenspitzen ging er näher.
Es war eine Mappe, wie man sie als Fotoalbum oder auch als Tagebuch verwenden konnte. Sie war ziemlich groß. Fabian fand, dass es unbequem für seine Frau sein musste, darauf zu schlafen. Zentimeter für Zentimeter zog er die Mappe unter seiner Frau hervor, ohne dass sie erwachte.
Er trug die Mappe ins Wohnzimmer und öffnete sie neugierig, weil er sie noch nie bei Dagmar gesehen hatte.
Sein Gesicht versteinerte, während er Blatt um Blatt umschlug. Es waren alles Meldungen und Fotoberichte über einen sogenannten „Baulöwen“ in München, einen Architekten namens Aurelius von Bartenstein.
Aurelius!
Fabian Böhm presste die Lippen auseinander.
Hatte Dagmar nicht ein paar Mal während ihrer Anfälle den Namen Aurelius gerufen?
Hatte sie nicht einen gewissen Aurelius um Hilfe angefleht, wenn sie plötzlich Angstzustände bekam?
Und hatte sie diesen Aurelius nicht auch in Zusammenhang mit einem Autounfall erwähnt?
Da es in ihrem gesamten Bekanntenkreis keinen Aurelius gab, der Name in München auch äußerst selten war, tippte Fabian sofort auf diesen Architekten. Die Adresse seines Büros in der Innenstadt war in einem der Berichte angegeben.
Fabians Entschluss stand fest!
Er setzte sich in die S-Bahn um zum Büro in der Nähe des Marienplatzes zu gelangen. Bereits eine halbe Stunde später stürmte er aus dem Fahrstuhl, rannte in das Büro mit dem Namensschild des Architekten, sauste an einer entgeistert dreinblickenden Sekretärin vorbei und stieß die Tür zum Allerheiligsten des vermeintlichen Rivalen auf.
Das Schicksal der beiden Männer hatte sich vereinigt. Von jetzt an konnten sie sich nicht mehr voneinander lösen.
Das Unglück schritt unaufhaltsam weiter!
Aurelius von Bartenstein blickte erstaunt von seinem Schreibtisch auf, als ein Fremder in sein Büro stürzte. Der Mann war hochrot im Gesicht, Aurelius suchte in seinem Gedächtnis, konnte
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