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Die Frau aus dem Meer

Die Frau aus dem Meer

Titel: Die Frau aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Ufer, gleich hier unter meinem Stück Land, und manchmal machen sie dieses Geschrei, wenn sie einen großen Fisch gefangen haben», erklärte Gnazio.
    «Diesmal war der Fisch wohl noch größer als sonst», sagte Minica lachend und schaute Maruzza an. Auch die junge Frau fing an zu lachen.
    «Dann ist es also beschlossen», sagte die Urgroßmutter. «Heute Nacht ist die richtige Nacht für eine Hochzeit. Es ist Vollmond.»
    Hochzeit? Bei Nacht? Die Alte war doch wohl verrückt! Reif fürs Irrenhaus!
    «Erst müssen doch noch die Papiere erstellt und die Kirche verständigt werden …», sagte Gnazio.
    «Ich meinte, die Hochzeit nach unserem Ritus!», erklärte Minica. «Die Hochzeit beim Pfarrer macht ihr dann, wann ihr wollt. Doch zuallererst kommt die Hochzeit, wie wir sie feiern. Wir sehen uns heute Abend spät!»
    «Was soll ich vorbereiten?»
    «Nichts. Wir bringen alles mit.»
    Es dauerte keine zwei Minuten, und er war wieder allein. Er war eher durcheinander als überzeugt, als er sich auf einen der Stühle sinken ließ. Sie wollten diesen Unsinn mit der Hochzeitsfeier bei Nacht machen? Na gut, dann machen wir das eben! Aber am Morgen danach darf sich diese Urgroßmutter hier nicht mehr blickenlassen! Sie brachte ihn völlig durcheinander mit ihren Geschichten, denen nicht einmal die Paladine von Frankreich standgehalten hätten. Nachher machte sie ihn noch so verrückt, wie sie selber war!
    «Gnazio! Gnazio Manisco! Kommt her! So kommt doch schnell her!»
    Wer rief ihn denn da?
    Er stand auf und lief vor zur Straße. Linker Hand, dort, wo sich die Straße mit dem Pfad kreuzte, der an seinem Landstück entlang zum Meer führte, stand einer aus der Nachbarschaft. Er kannte ihn nur vom
«Bongiorno»
und
«Bonasira»
her. Sein Name war Tano Bonocore.
    «Was ist denn los?», fragte Gnazio.
    «Ich bin zum Strand runtergegangen, um mir bei den Booten ein wenig Fisch zu kaufen, und redete mit drei Fischern, als …»
    «Was weiter?»
    «… als wir plötzlich jemand schreien hörten. Der stand genau da oben, an der Spitze des Abhangs, wo Euer Grund aufhört und die Klippen und das Meer anfangen.»
    «Warum hat er denn so geschrien?»
    «Das haben wir nicht verstanden. Aber er meinte auch gar nicht uns.»
    «Wen meinte er denn?»
    «Jemand, der auf dem Meer war. Doch auf dem Meer haben wir niemand gesehen. Dann stürzte er sich hinunter.»
    «Wo hinunter?»
    «Wo stürzt man sich schon hinunter? Die Klippen hinab! Ins Meer!»
    «O heilige Jungfrau! Von so hoch oben?»
    «Von so hoch oben! Es war, als wäre er geflogen.»
    «Ist er tot?»
    «Er liegt im Sterben. Bevor er im Wasser gelandet ist, schlug er auf die Klippen. Zusammen mit den Fischern haben wir ihn nach Hause getragen.»
    «Wisst Ihr, wer er ist?»
    «Aulissi Dimare. Wieso hat er sich auf Eurem Grund befunden?»
    «Er hat bei mir gearbeitet, um …»
    Er hielt inne. In einer Biegung des Pfads waren vier Fischer aufgetaucht, zwei vorne und zwei hinten, die ein Stück Segeltuch trugen. Auch auf die Entfernung konnte man sehen, dass das Tuch blutbefleckt war. Während sie näher kamen, sangen sie das Lied für die, die im Meer gestorben sind:
     
    Nimm diese Seele,
    du Gott der Meere,
    entzünde die Sterne.
    Entzünde die Leuchten,
    ihn zu geleiten
    bis zu den Pforten
    des Paradieses,
    diesen armen Toten.
     
    Er wartete, bis die vier Männer mit ihrer traurigen Last oben auf dem Weg angekommen waren, und stellte sich dann neben den Sterbenden.
    Tano Bonocore sagte:
    «Gehen wir hier lang, da gibt’s eine Abkürzung zu seinem Haus.»
    «Wir können nicht mehr», sagte einer der Fischer.
    «Kommt mit mir, ich gebe Euch ein Glas Wein», schlug Gnazio vor.
    Im Schatten des Olivenbaums legten sie Aulissi nieder, der leise wimmerte und die Augen geschlossen hielt, und setzten sich auf die Stühle. Gnazio ging einen Krug Wein holen. Und während die Fischer und Bonocore tranken, kniete er neben Aulissi nieder. Er bemerkte, dass dieser die Augen geöffnet hatte und ihn anblickte.
    «Was ist denn geschehen, Aulissi?»
    «λι… γυρὴν… δ΄ ἔντυ… νον… ἀοι… δήν…» [1]
    Wie redete er nur? Griechisch? Türkisch? Was sagte er da? Der arme Kerl war nicht mehr ganz richtig im Kopf! Sicher hatte er bei der Arbeit einen Hitzschlag bekommen, und der hatte ihn seiner Sinne beraubt. Wenn dich ein Hitzschlag trifft, fällst du entweder ohnmächtig um, oder er bringt dich dazu, merkwürdige Dinge zu tun.
    «Aulissi! Ich bin’s, Gnazio!

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