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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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und Ady werden sich darüber unterhalten haben, werden nachgedacht haben, was in welchen Situationen angebracht ist. An Auflehnung ist kaum zu denken, das wissen sie. In der kurzen Zeit des 18-Tage-Krieges und in den ersten Monaten nach der Besetzung ist in ganz Belgien von einem organisierten Widerstand wenig zu spüren. Die meisten Menschen stehen unter dem Eindruck der gewaltigen deutschen Militärerfolge. Seit dem Zusammenbruch Frankreichs gehen viele gar von der baldigen Landung der Deutschen in England aus. Das deutsche Zeitalter scheint angebrochen, nichts und niemand kann es offenbar aufhalten.
    Die besetzten Länder waren Raubgut, an dem sich alle bedienten, das Dritte Reich, die Politiker, die Industrie bis hin zum einfachen Soldaten. Die brachten ihren Müttern, Frauen und Freundinnen Wurst und Wodka aus Polen mit ins kriegsgraue Deutschland, Nylons und Parfum aus Paris sowie Schokolade und Spitze aus Brüssel. Krieg als Tourismusbüro. Heinrich Böll sehnte sich aus seinem stupiden Wehrmachts-Wachdienst nach Antwerpen mit seinen Schlemmerlokalen, Cafés und Geschäften und all den Dingen, die es dort zu kaufen gab: »Kaffee, Zigarren und Tuche« wolle er seiner Braut mitbringen, schrieb er ihr, sollte er doch dorthin versetzt werden. Keiner hatte ein schlechtes Gewissen, wieso auch, der deutsche Soldat hatte große Vorbilder: Hitler und Göring klauten sich schließlich beachtliche Kunstsammlungen zusammen, und der deutsche Staat bediente sich in fremden Etats.
    Am 6. Februar 1941 wurde in Brüssel ein anonymes Flugblatt gefunden, das Informationen aus anscheinend gut informierter Quelle weitergab. Die deutsche Militärverwaltung übersetzte es ins Deutsche, und dank des Historikers Götz Aly gelangte es an die Öffentlichkeit: »Wenn das Aufkommen an Steuern und Zöllen von elf Milliarden (belgischen Francs) auf 16 Milliarden erhöht werden muss, wie dies Deutschland verlangt, so müssten wir im Jahre 1941 immer noch 25,5 Milliarden Francs leihen – und bei wem? –, um das Diktat Deutschlands zu erfüllen. Wenn man zu den genauen vorstehenden Zahlenangaben noch hinzufügt, was die Deutschen unseren Vorräten an Rohstoffen und Lebensmittelreserven entnommen haben (wir hatten für etwa zwei Jahre Lebensmittelreserven), dann gewinnt man ein ziemlich genaues Bild über die vom Dritten Reich unserem Land gegenüber befolgte Politik der Ausplünderung und der Aushungerung. Ja, Deutschland opfert unser Land völlig seinen imperialistischen Zielen. Es behandelt uns wie ein Sklavenvolk, das lediglich zum Nutzen des Reiches da ist.«
    Ady in Brüssel, August 1942.
    Die deutschen Behörden legten die Besatzungskosten in einer Höhe fest, die der belgische Staatsetat keinesfalls hergab. Darüber hinaus sollte Belgien für Quartierdienste aufkommen. Zusammengenommen sollte das Land, besetzt und noch immer von der Weltwirtschaftskrise geschwächt, an das Reich mehr als doppelt soviel abgeben, als die Bürger und Unternehmen monatlich an Steuern aufbrachten. In Zahlen ausgedrückt hieß das: 1941 betrugen die Besatzungskosten monatlich etwa 120 Millionen Reichsmark, 1942 wurden zusätzlich pro Monat acht Millionen Reichsmark für Einquartierungen fällig und 72 Millionen Vorschuss für Exporte nach Deutschland, so genannte »Clearing-Kosten«. Damit waren pro Jahr etwa 2,4 Milliarden Reichsmark an das Reich zu zahlen. Selbst nachdem etliche Verbände der Wehrmacht im Sommer 1941 an die Ostfront verlegt wurden, wurden die Besatzungskosten nicht nach unten korrigiert. Der Militärbefehlshaber von Falkenhausen begründete das in der den Siegern eigenen Logik, »dass alles, was hier im Lande für die Kriegsführung gegen England gebraucht wird, auch hier im Lande aufgebracht werden muss.« Dazu zählten die riesigen Befestigungsanlagen am Atlantik genauso wie der Ausbau von zusätzlichen Flughäfen.
    Im Oktober 1941 warnten selbst deutsche Banker, das Land werde in einem Maße belastet, das dessen Leistungsfähigkeit bei weitem übersteige, es werde »ohne Rücksicht auf die Erhaltung seiner Währung von allen Seiten ausgeplündert.« Doch das änderte nichts, im Gegenteil: 1942, als das Kriegsglück sich für die Deutschen wendete, zogen sie die Schraube der Ausbeutung noch einmal an. Sie ließen sich nicht nur den belgischen Staatsetat komplett überweisen, sondern plünderten die belgische Industrie, und auch die wurde wiederum mit belgischem Geld bezahlt: Nach einer Übersicht von Falkenhausen, die Götz Aly

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