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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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Militärs führen ihn während des Zweiten Weltkriegs nicht. Es ist denkbar, dass er nicht eingezogen wurde, aber dennoch für Belgien kämpfte. Eng an die belgische Exilregierung in London angebunden, kämpften belgische Soldaten in belgischen Einheiten, der Armée Secrète, der geheimen Armee, an der Seite der Alliierten gegen die Deutschen. Etwa 5000 Soldaten der geheimen Armee wurden getötet, durch deutsche Dienste ermordet oder starben in der Gefangenschaft.
    Angenommen, Firmin war in England und machte 1944 die Invasion mit, dann hätte er im September des Jahres bereits zurück bei Maria sein können. Aber Firmin fehlt auch noch nach 1944 auf den Fotografien. Vielleicht geriet er während der Invasion in deutsche Gefangenschaft – oder er wurde verwundet und war für längere Zeit in einem Lazarett. Da wir nichts Genaues in Erfahrung bringen konnten, bleibt der Aufenthalt Firmins während des Krieges Spekulation.

Unter Besatzern
    Es war ein kapitaler Wirtschaftsraum, der sich dem Dritten Reich durch die besetzten Gebiete Europas erschloss – und ein ebensolcher kapitaler Traum für Deutschland und die den Nazis nahestehenden Industriellen im Reich. Europa war Kriegsgebiet, die besetzten Länder eine auszubeutende Wirtschaftszone, die so effizient ausgesaugt wurde, dass Deutschland seinen Eroberungs- und Raubkrieg ungehindert fortführen konnte. Mit dem Hinweis, Deutschland blute im antibolschewistischen Kampf für Europa, forderte das Reich Solidarität ausgerechnet bei seinen Feinden ein und bürdete den besetzten Ländern Abgaben auf, immense Lieferungen beispielsweise an Weizen und Mais. Mit fortschreitendem Kriegsverlauf spitzte sich die Situation zu, das Millionenheer der Wehrmacht wollte ernährt und mit Nachschub versorgt werden. Und der deutsche Volksgenosse sollte im Reich durch den gut gedeckten Tisch bei der Stange gehalten werden. Auf einer Sitzung am 6. August 1942 verlangte Göring von den anwesenden Reichskommissaren und Militärbefehlshabern, aus den besetzten Ländern immer noch mehr herauszuholen. »Es ist mir dabei gleichgültig, ob Sie sagen, dass Ihre Leute wegen Hungers umfallen. Mögen sie das tun, solange nur ein Deutscher nicht wegen Hungers umfällt.«
    Die vorrangigen Interessen galten dem Wirtschaftssektor, sowohl auf deutscher als auch auf belgischer Seite. Die politische Spitze, Industrie und Wirtschaft versuchten sich mit der Besatzungsmacht zu arrangieren. Aus ihrer Sicht sollte die Indienststellung der Wirtschaft für die deutsche Kriegsökonomie vor allem verhindern, dass die Besatzer wie im Ersten Weltkrieg in großem Stil Industrieanlagen außer Landes schleppten und auf Massendeportationen belgischer Arbeiter zurückgriffen. Doch weder das eine noch das andere konnten sie verhindern, die Mehrheit der Bevölkerung, auch Maria und Ady, mussten hilflos zusehen, wie das Land leer geräumt wurde.
    Belgien zählte im Sommer 1940 etwa 8,3 Millionen Einwohner, die Arbeitslosenquote lag bei über 25 Prozent. Die Lebensmittelversorgung der Belgier war zu einem erheblichen Teil von Importen abhängig, dennoch sollte die Bevölkerung für die siegreichen Deutschen Opfer bringen. Alles wurde knapp: Lebensmittel, Kleidung, Kohlen und anderes Heizmaterial – Dinge, die kaum oder nur gegen Marken erhältlich waren. Die Preise stiegen drastisch an, wer etwas auf dem Schwarzmarkt verkaufen konnte, war im Vorteil.
    Die Belgier litten unter der Okkupation und dabei hatte das Land noch Glück. Die Menschen, besonders die Flamen, gehörten nach dem faschistischen Rasseschema zu den Artverwandten. Sie waren den Nazis nützlich, sie wurden ausgeplündert, nicht aber in ihrer Physis vernichtet – zumindest solange sie sich nicht gegen die Deutschen auflehnten.
    Die Fotos von Maria aus diesen Jahren zeigen eine Frau, die sichtbar unter der Belastung leidet. 1939 war sie fünfzig geworden, in ihrem 51. Jahr stehen die Deutschen erneut in ihrer Stadt undsagen ihr, was sie tun und lassen soll. Seit einiger Zeit trägt sie ihre Haare eng anliegend zurückgekämmt und hinten zu einem kleinen Knoten gebunden, sie wirkt verhärmt, ernst, unglücklich.
    Die Antwerpener begegnen den Besatzern mit passivem Widerstand. Bei jedem Schritt, jeder Handlung ist Vorsicht geboten – überall auf den Straßen patrouillieren deutsche Soldaten. Anpassung, zumindest ein pragmatischer Umgang mit den ungeliebten Besatzern, scheint auch aus Gründen des persönlichen Vorankommens für die nächste Zeit geboten. Maria

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