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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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ausschließlich für den Rüstungsbedarf geforscht und produziert. Bis 1944 steigerte der Konzern seinen Rüstungsanteil auf satte 93 Prozent. Doch der Betrieb aus Stuttgart-Untertürkheim tut sich mit seiner militärischen Vergangenheit vor 1945 schwer. Nicht nur die »kritischen Aktionäre« können davon ein Lied singen, auch Historiker, die sich in der Vergangenheit mit dem Engagement der Firma während der Nazizeit und des Krieges beschäftigten, mussten die Verschwiegenheit des Konzerns mit dem Stern überwinden.
    Die Stempel in Adys und Renées Papieren sprechen von F. R. B. GL. »FRB« war die Abkürzung für Front-Reparaturbetrieb, »GL« bedeutete die Zugehörigkeit zum Generalluftzeugmeister. Der Museumsleiter von Nowa Sól, Tomasz Andrzejewski, stieß während seiner Nachforschungen zur Geschichte der Stadt nicht direkt auf Daimler-Benz. Allerdings fand er Belege für die Existenz von Werkstätten für Flugzeugausrüstung. Einer dieser Betriebe – es warenmehrere über das Stadtgebiet verteilt – befand sich im Bereich der heutigen Kaczkowskiego, der früheren Walter-Flex-Straße. Und an der Mühle an der Wroclawska-Straße, ehemals Breslauer Straße, befand sich ein Depot der Flugzeugausrüster. Dort wurden regelmäßig Reparaturen und Wartungen an Flugzeugmotoren vorgenommen.
    Diese Recherche stimmt überein mit der Erinnerung von Renée, dass die Hallen mit dem Lager von Daimler-Benz weiter draußen, eben an der Breslauer Straße gelegen hätten.
    Ein wesentlicher Faktor, der es erschwert, Daimler-Benz-Betriebe an verschiedenen Standorten, so auch in Neusalz, während des Krieges auszumachen, war die Unternehmensstruktur des Konzerns. Sie unterschied klar zwischen der Fahrzeugproduktion einerseits und Flugmotoren auf der anderen Seite. Die Fertigung der traditionellen Produkte, Fahrzeuge im weitesten Sinne, Panzer eingeschlossen, blieb ausschließlich auf die Werke der Aktiengesellschaft beschränkt. Die Betriebe der Flugmotorenherstellung, auch die der Reparatur, firmierten dagegen jeweils unter eigenem Namen als GmbH. Selbst das Flaggschiff für Flugmotoren, das Werk in Genshagen bei Berlin, in dem der Großteil der Motoren hergestellt wurde, wurde als GmbH geführt, obwohl es eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Daimler-Benz AG in Untertürkheim war.
    Zum einen ließ sich dadurch die Veröffentlichung der Bilanzen umgehen, die im Ausland Rückschlüsse auf das Ausmaß der Aufrüstung des Dritten Reiches gleich nach 1933 ermöglicht hätte. Zum anderen wollte man sich möglicherweise für eine wie auch immer geartete Friedenswirtschaft nach dem Ende des Krieges in eine günstige Position bringen.
    Im Spätherbst 1944 war Ady eine von etwa acht Millionen ausländischen Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen, die sich in diesem Zeitraum auf dem Gebiet des »Großdeutschen Reiches« aufhielten und als »im Arbeitseinsatz« gemeldet waren, so Herbert Ulrich in seiner Studie zum »Reichseinsatz«. Sie stammten aus insgesamt 26 Ländern. Aus dem verhältnismäßig kleinen Belgien kamen 250   000. Bis Kriegsende werden etwa 300   000 Belgier als Zwangsarbeiter ins Reich gelangt sein.
    Zusätzlich waren Ende 1944 zwischen 500   000 und 600   000 KZ-Häftlinge zur Arbeit in der deutschen Rüstungsindustrie eingesetzt. »Wir verdauen die besetzten Gebiete«, propagierte Joseph Goebbels. Im September 1944 war jeder Dritte zwangsweise als Arbeitskraft im Reich beschäftigt, als Fremdarbeiter, Kriegsgefangener oder KZ-Häftling. Die Gesamtzahl der während des Krieges für längere oder kürzere Zeit zum Reichseinsatz nach Deutschland gebrachten ausländischen Arbeitskräfte lag letztlich bei etwa 9,5 Millionen Menschen, andere Quellen sprechen von bis zu 13,5 Millionen Menschen. Ein Drittel aller ausländischen Zivilarbeiter waren Frauen, darunter Renée und Ady.
    Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge waren in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft arbeitstechnische Verfügungsmasse. Wer ungelernt war, wurde angelernt. Große Konzerne setzten Tausende von Zwangsarbeitern ein, dazu gehörten die IG Farbenindustrie genauso wie Degussa, die Bayerischen Motorenwerke und die staatlichen Reichswerke Herman Göring, und ebenso die Unternehmen der Luftfahrtindustrie wie Daimler-Benz. »1944 ist fast jeder zweite der 63   600 Daimler-Benz-Mitarbeiter ein ziviler Zwangsarbeiter, Kriegsgefangener oder KZ-Häftling«, schreibt der Konzern auf der firmeneigenen Homepage.
    Im Vergleich zu den

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